Polt.
tunkte das Kipferl vom Vortag ein. »Ich mach’s kurz, Frau Aloisia. So wie’s derzeit ausschaut, hab ich nur zwei Möglichkeiten. Entweder ich denk nicht mehr nach, vergess alles und lass die Sache laufen, wie sie läuft. Oder ich tu, was ich kann, damit die G’schicht bald zu einem Ende kommt. Erst dann gibt der Primi nämlich Ruhe, erst dann. Wenn nur die nächsten paar Tage schon vorüber wären. Ich hab richtig Angst vor dem, was auf uns zukommen könnt.«
,Angst? So ein großer, starker Mann?«
»Es geht ja nicht um mich. Der Rohringer kann sich selber helfen, wenn das überhaupt je notwendig sein sollte. Der Norbert hat einen klaren Kopf und wird schon wissen, was er tut. Aber die Birgit spielt nur die Starke, glaub ich, und jetzt hängt auch noch der Rudi Weinwurm mit drin. Der ist ein armes Schwein und gleichzeitig unberechenbar mit seinen besoffenen Aktionen, aber auch mit seinem Geschwätz. Was tun, Frau Aloisia?«
»Also, wenn ich Rat brauch in schwierigen Fällen, frag ich immer den Ferdl. Mein Verblichener, du weißt.« Sie schloss sinnend die Augen.
»Und was sagt er, der Ferdl?«
Frau Habesam kehrte aus meditativen Weiten zurück. »Der Simon soll die Finger davon lassen, sagt er. Was geht’s ihn an. Er ist kein Gendarm mehr.«
»Soll ich wirklich?«
»Nein. Was der Ferdl gesagt hat, war schon immer ein Blödsinn. Also tust du das Gegenteil. Wann kommt die Karin Walter heute aus der Schule?«
»Um fünf ist Schluss.«
»Dann holst du sie ab und bringst sie zu mir.«
»Warum die Karin?«
»Erstens können wir uns auf sie verlassen und zweitens weiß sie inzwischen mehr.«
»Aha. Nur ich bin wieder einmal der Blöde. Könnt auch die Grete, die Frau Hahn mein ich, dazukommen?«
»Die? In einem ehrbaren Haus?«
»Sie gibt zu, dass sie mit dem Toten, will sagen, als er noch gelebt hatalso mit ihm…«
»Ich kann’s mir denken. Her mit ihr!«
Bis zum konspirativen Treffen am späten Nachmittag hatte Polt frei bekommen. Er setzte sich aufs Fahrrad und wählte, ohne viel darüber nachzudenken, einen Güterweg, der zur Brunndorfer Kellergasse führte. Bald schon fielen ihm mit Kalk auf den Asphalt gemalte Richtungspfeile auf. Um Himmels Willen! Morgen war Dienstag, und da sollte ja die große bürgermeisterliche Kellergassen-Inszenierung ihren Lauf nehmen. Polt hatte keinen Gedanken mehr daran verschwendet. Hoffentlich war Karin Walter umsichtiger gewesen und hatte eine Gruppe von Kindern auf die Führung vorbereitet.
Eines der Presshäuser in der langen, dem Talrand folgenden Kellergasse stand offen. Ein paar junge Männer, die Polt nicht kannte, bauten eben einen Grillplatz auf und stellten Tische und Bänke bereit. Polt beschloss, die Route des Radwandertages abzufahren - immerhin knapp dreißig Kilometer, wie er wusste. Er war demnach schon recht müde, als er am oberen Ende der Burgheimer Kellergasse anlangte und damit gut zwei Drittel der Strecke zurückgelegt hatte. Zu seiner freudigen Überraschung sah er, dass Sepp Räuschls Presshaustür offen stand. Er trat ein und blieb überrascht stehen. Die Weinpresse hier war ihm vertraut, ein schlichtes hölzernes Gerät ohne Pressbalken und Stein. Nur mit Muskelkraft wurde hier gearbeitet. Für Sepp Räuschl spielte das keine große Rolle. Er erntete nur eine vergleichsweise geringe Menge Trauben. Diesmal fand Polt die Presse aber in einem bemerkenswerten Zustand vor. Das Holz war kaum noch zu sehen unter zahlreichen Heiligenbildchen, frommen Kalenderblättern und anderem weihevollen Dekor. An einem Ende jener waagrechten Stange, die als Hebel diente, hing ein aus Leder gefertigter Flaschenbehälter, der Kellerzöger, am anderen Ende Sepp Räuschls Hut. Polt stand noch immer staunend da, als er den Weinbauern vom Keller herkommen sah. »Ja, Sepp, was ist denn da los?«
»Verschönert hab ich sie, die Weinpresse, für das Fernsehen, morgen.«
»Aber so hat die ja nie ausgesehen.«
»Die sollen Augen machen, das ist die Hauptsache. Die Welt soll sehen, was das Wiesbachtal zu bieten hat! Da schau her, Simon, weißt du, was das ist?« Er zeigte auf einen offenbar alten Goldrahmen. Hinter dem Glas war ein Bild von Kaiser Franz Joseph zu sehen, darunter das Foto eines jungen Mannes, umgeben von Federnbuschen und schmückendem Blattwerk. »So etwas haben sich die Burschen aus lauter Freude darüber geleistet, dass sie tauglich gesprochen worden sind. Und dann sind’s mit Hurra und Marschmusik an die Front. Den Namen von meinem Vater kannst
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