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Polt.

Polt.

Titel: Polt. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Komarek
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Vaterschaft mit heiterer Zuversicht entgegenzusehen. Er hatte es sogar geschafft, auch noch rechtzeitig die vorgeschriebene Strecke des Radwandertages zu bewältigen und war mit den Kontrollstempeln der fünf Labestellen berechtigt, an der Tombola teilzunehmen. Obwohl es recht kühl war, fand die Verlosung im Freien, auf der Wiese vor dem Gebäude der Feuerwehr, statt. Erwin Bär, Multifunktionär als Schulwart, Totengräber und Obmann des Radwandervereines, führte, vor einem reich beladenen Traktor-Anhänger stehend, die Verlosung wortgewaltig und bierlaunig durch. Seitdem besaß Polt eine in Taiwan gefertigte Statuette des heiligen Florian, eine Thermoskanne und einen Regenmesser, war also für die Wechselfälle des Lebens gerüstet.
    Am Nachmittag kam dann noch mehr Leben in die Kellergasse, weil die Einwohner von Burgheim, aber auch Leute aus den Dörfern ringsum neugierig geworden waren. So wurde aus inszenierter Betriebsamkeit echtes Getümmel, und manch ein Weinbauer, der seit Jahren die Kellertür nicht mehr aufgesperrt hatte, zeigte an diesem Tag stolz sein unterirdisches Reich her. Ja, und noch etwas war geschehen: Friedrich Kurzbacher, der ja auf Geheiß des Bürgermeisters den alten Hans Hornung in seinem Presshaus aufsuchen sollte, hatte festgestellt, dass er mit dem ihm bisher völlig unbekannten Weinbauern angenehm reden und trinken konnte, und ihn sogar in sein Presshaus nach Brunndorf eingeladen. Das kam im Wiesbachtal einer Sensation gleich. Traditionell gepflegte Abgrenzungen und spielerisch ausgelebte Rivalitäten zwischen den Dörfern hatten stets verlässlich dafür gesorgt, dass es zu keinen unerwünschten Vermengungen kam. Der Besuch eines Burgheimer Weinbauern in der Brunndorfer Kellergasse war somit ein bedeutender und bedeutsamer Brückenschlag. Wenigstens etwas, überlegte Polt, das über den Tag hinaus Bestand hatte.
    Er saß noch lange da, eine gedachte und geträumte Karin Walter neben ihm, dann ging er frohen Mutes ins Bett. Gegen sechs Uhr früh wachte Polt auf und stellte fest, dass Karin Walter aus seinem Kopf verschwunden war. Er dachte an Birgit Sailer. Verdammt noch einmal, er musste mit ihr reden, und zwar bald.
    Als er bei Frau Habesam eintraf, war sie eben dabei, den leeren Geschenkkorb zu verstauen. »Muss schnell gehen, mit dem Zurückgeben, sonst spielen die Kinder damit! Einmal hat sogar eine Katze ein Lackerl hineingemacht. Man riecht’s aber fast nicht mehr.«
    »Wissen Sie, Frau Aloisia, ob der Norbert heute Dienst hat?«
    »Was ist denn für ein Tag, ah ja, Mittwoch. Da sollt er in Breitenfeld sein. Warum fragst?«
    »Weil ich mit der Birgit reden muss. Allein.«
    »So, musst du. Aber pass auf, die ist ein Porzellanhäferl, Simon: hart, dünn und zerbricht leicht.«
    Gegen zehn Uhr machte sich Polt auf den Weg, sah Norberts Auto nicht vor dem Haus stehen, trat ein und klopfte an die Küchentür.
    »Nur herein!«
    Birgit stand mit dem Rücken zu ihm am Herd. Das kann’s doch nicht geben, dachte Polt, dass ein Rücken bekümmert ausschaut. Ist aber so. Birgit drehte sich um. »Du bist es, Simon, schön! Kaffee?« Sie lächelte und schaute so munter in die Welt, wie es Polt seit jeher von ihr kannte.
    »Ja, bitte. Du wunderst dich gar nicht, dass ich da bin?«
    »Mich wundert nichts mehr neuerdings.«
    »Wie versteh ich das?«
    »Der Primi war gestern bei mir. Da, wo du sitzt, ist er gesessen und wir haben Kaffe miteinander getrunken.«
    »Das ist die neue Masche von ihm. Offenbar kommt er auf die harte Tour nicht weiter. Was wollt er denn wissen, der Herr Bezirksinspektor?«
    »Zuerst gar nichts. Dass ihm in Wien die Freundin davongelaufen ist, hat er mir erzählt. Er hat’s nicht mehr ausgehalten in der Stadt und ist zu uns aufs Land gekommen.«
    »Der Ärmste. Und weiter?«
    »Das Rezept vom Apfelstrudel wollt er haben.«
    »Was will der nicht haben. Und?«
    »Bist aber auch ganz schön neugierig, Simon. Er hat mir erzählt, dass es ihm bei uns im Wiesbachtal so geht wie den Carabinieri in einem sardischen Banditen-Dorf.«
    »Cara… was?«
    »Das sind italienische Polizisten, und die haben’s natürlich schwer in Sardinien: Blutrache, Fehden, Mafia … Die Einheimischen handeln nach ihren eigenen Gesetzen, fällen ihre Urteile über ihresgleichen und vollziehen sie auch - notfalls mit einem Mord. Und die Polizei darf den traurigen Rest wegräumen und verwalten.«
    »So arg ist es aber nicht bei uns.«
    »Wirklich nicht? Und wie ich damit umgeh, wollt er wissen:

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