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Poltergeist

Titel: Poltergeist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kat Richardson
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Albert durch einen Tunnel geführt, der nur in der Welt des Grau offen stand. Damals war es mir also zufällig gelungen, mich durch eine Wand zu bewegen. Jetzt konnte ich das wiederholen und zwar ganz bewusst. Ich versuchte nicht, die Zeitschichten beiseitezuschieben, sondern drängte nur leicht von der Seite gegen sie, sodass sie ins Kippen kamen. Ehe sie wieder übereinanderglitten, zeigten sich silberne Bilder und Erinnerungen im kalten Nebel, aber auch neongrelle Blitze. Als ich eine Schicht entdeckte, die leer und seltsam anders wirkte, konzentrierte ich mich darauf, sie festzuhalten und auf sie zu gleiten.
    Die plötzliche Bewegung durch das Grau brachte meinen Magen durcheinander. Ich würgte. So war es mir schon eine Weile nicht mehr ergangen. Mit einem plötzlichen Ruck kam ich wankend zum Stehen, obwohl ich mich im Raum gar nicht bewegt hatte. Ich schluckte, da ich Galle im Mund schmeckte, und sah mich vorsichtig um. Der weiche Orangeton meines Bürogebäudes war verschwunden, und an seiner Stelle stand ein Haus aus Holz und Stein. Auf der anderen Seite der gepflasterten Straße befand sich ein weiteres Holzgebäude, obwohl dort normalerweise die Garage war, in der ich parkte. Ich trat an die Tür, die in das nächste Haus führte, und versuchte sie zu öffnen. Eine Weile widersetzte sie sich, doch endlich gab sie nach. Ich trat langsam ein.
    Es war schwierig, mich in dieser Schattenwelt zu bewegen. Alles entzog sich meinen Versuchen. Carlos hatte bereits
erklärt, dass sich die Vergangenheit nicht gerne biegen ließ. Bald entdeckte ich, dass es leichter für mich war, darauf zu warten, bis jemand kam, der eine Tür öffnete. Dann konnte ich hinter dem Geist eintreten.
    Die Schattenwesen waren sehr unterschiedlich. Manche sahen mich und behandelten mich so, als ob ich zu ihnen gehören würde, während mich andere erst gar nicht bemerkten. Sehr wenige nahmen mich zwar wahr, schienen meine Gegenwart aber nicht zu schätzen, und wieder andere versuchten mit mir zu sprechen oder mich zu berühren. Ich schüttelte sie ab und suchte nach einem Weg, um aus dieser Zeitebene hinauszugelangen. War das ein Zeitensprung?
    Wenn man sich innerhalb der Zeitschichten befand, war es viel schwerer, die verschiedenen Ebenen und Splitter zu erkennen. Doch nach einer Weile gelang es mir, den kalten Wirbel eines Randes zu fassen zu bekommen und ihn zu kippen. Wieder glitt ich auf etwas zu. Ich spürte, wie mehrere Kräfte an mir zerrten, als ob ich mich in einem Strudel befände. Vorsichtig folgte ich der stärksten und wurde so in die Gasse hinter meinem Bürogebäude und aus dem Grau hinausgetragen. Das war allerdings nicht, was ich wollte. Also versuchte ich erneut mein Glück.
    Ich ließ mich ins Grau zurückfallen und suchte wieder nach den wabernden Zeitschichten. Schon bald hatte ich sie gefunden, doch diesmal betrachtete ich sie eingehender, da ich nach etwas Bestimmtem suchte.
    Schließlich entdeckte ich eine Schicht, auf der kein Gebäude vor mir stand, und schob sie beiseite. Mit dem gleichen Gefühl von Schwindel und Übelkeit glitt ich dazwischen. Diesmal glitten Schlickbrocken unter meinen Füßen weg, und für einen Moment hing ich auf einer Straße in meiner eigenen Zeit fest. Ich brach in Panik aus und krabbelte
auf eine festere Zeitebene. Schließlich wollte ich nicht durch den ursprünglichen Schlickboden fallen, auf dem Seattle stand, und dann versuchen, in einem Gebäude wieder aufzutauchen, das sich drei Meter weiter oben befand. Doch es gelang mir zumindest, im Grau zu bleiben. Diesmal taumelte ich auch nicht wieder unfreiwillig in die normale Welt zurück.
    Ich schob das Grau beiseite und lehnte mich an die Mauer in der Gasse. Keuchend rang ich um Atem und hatte das Gefühl, eine besonders anstrengende Gymnastikstunde hinter mich gebracht zu haben.
    Ein Blick auf die Uhr ließ mich fluchen. Mir blieben nur noch zwanzig Minuten, um zum Friedhof Lake View zu gelangen.

SECHSUNDZWANZIG
    Eine dichte Wolkendecke hing über der Stadt, doch bisher war noch kein einziger Tropfen Regen gefallen. Die kalte Luft passte zu einer Beerdigung. Als ich eintraf, hatte die Gedenkfeier schon begonnen. Es waren viele Leute gekommen. Ich entdeckte einige bekannte Gesichter: Phoebe und die Angestellten von Old Possum’s; die meisten Séance-Mitglieder; Amanda und eine Gruppe von Leuten, die so eingefallen und mitgenommen aussahen, dass es sich nur um Marks Familie handeln konnte. Außerdem sah ich eine große gelbe

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