Poltergeist
unregelmäßig gelungen. Neuere psychologische Studien über das sogenannte False-Memory-Syndrom und den Erwartungsdruck durch Gruppen behaupten, dass so etwas reine Einbildung sei. Aber sie haben sich nur mit den traditionellen Séancen beschäftigt und nicht spezifisch mit dem Philip-Experiment. Trotz aller Schwächen wurde dieses nämlich in einem hell erleuchteten Zimmer und mit dem Anspruch auf wissenschaftliche Neutralität durchgeführt. Wie ich schon sagte, ist bisher niemand in der Lage gewesen, ähnliche Erscheinungen wie die Owen-Gruppe zu reproduzieren. Meistens kommt nichts oder nur sehr wenig dabei heraus. Das würde natürlich für einen Schwindel sprechen oder für eine Gruppenhysterie.
Aber es gab eine Fernsehaufzeichnung und einen kurzen Dokumentarfilm über das Experiment. Leider sind beide verschwunden. Das Buch erschien 1976, zuerst als Paperback.« Er zeigte auf den gebundenen Band in meiner Hand. »Das da ist von 1978 und enthält noch einige später hinzugefügte Kapitel. 1978 konnten sich viele Leute noch an die Fernsehsendung erinnern. Wenn das Buch innerhalb der letzten zehn Jahre erschienen wäre und genauso wenig Dokumente über die Ereignisse enthalten hätte, die vor drei ßig Jahren stattfanden, wäre ich skeptisch gewesen. Aber es stammt aus jener Zeit, ist also sicher authentischer. Obwohl die Aufzeichnungen immer wieder in Zweifel gezogen
wurden, konnte sie nie jemand ganz widerlegen. Selbst die psychologischen Experimente über das False-Memory-Syndrom und die Massenhysterie vermochten die Erscheinungen der Philip-Gruppe nicht als falsch zu entlarven. Leider sind inzwischen einige der Teilnehmer gestorben oder von der Bildfläche verschwunden, und die übrigen haben keine Lust mehr, über das Experiment zu sprechen, was natürlich nicht hilft, um offene Fragen zu klären.«
Ich seufzte. Das Ganze kam mir ziemlich chaotisch vor. Ein fragwürdiges Experiment führte zu einem zweiten, noch fragwürdigeren Experiment. »Wurde bei diesen Sitzungen jemals jemand verletzt?«
Ben runzelte die Stirn. »Nein. Es sei denn, du verstehst unter Verletzung ein paar blaue Flecken von einem besonders sprungfreudigen Tisch. Ich habe jedenfalls nie davon gehört. Wieso fragst du?«
Ich zuckte mit den Achseln. »Ich dachte mir nur, dass man auch leicht jemandem einen Schaden zufügen kann, wenn man es schafft, einen Tisch zu bewegen.«
»Ich glaube nicht, dass es je so dramatisch wurde. Es handelte sich sowieso nur um einen kleinen Klapptisch.«
Die ursprüngliche Gruppe hatte also weder die Zeit noch die Ausrüstung gehabt, die Tuckman in sein Experiment investierte. Nicht nur in dieser Hinsicht gab es gewisse Unterschiede, und ich fragte mich, wie wichtig sie wohl waren. Die Tatsache, dass Tuckmans Gruppe in einem Labor unter ständiger Aufsicht zusammenkam, hätte mich vermuten lassen, dass es bei ihnen zu weniger Seltsamkeiten kommen würde als bei der Owen-Gruppe.
Doch das Gegenteil war der Fall. Ich ging das Ganze also noch mal anders an. »Warum hast du mich eigentlich Tuckman empfohlen?«
Ben blinzelte. »Ehrlich gesagt, war ich überrascht, als er mich um Hilfe bat. Ich hatte nichts mehr von ihm gehört, seitdem er von der UW zur PNU gewechselt war. Aber meinen Ruf als Typ, der sich mit bizarren Dingen beschäftigt, wie er das nennt, hatte er anscheinend nicht vergessen. Er meinte, dass jemand wie ich bestimmt einen Detektiv wüsste, der für alles offen ist. Ich bin mir nicht sicher, ob er das als Kompliment gemeint hat oder nicht.«
Ich sah ihn finster an. »Wahrscheinlich nicht.«
Ben verzog seinen Mund zu einem Lächeln. Er wirkte inzwischen so, als ob er jeden Augenblick einschlafen würde und sein Mund nur noch automatisch funktionierte. »Er ist ein unangenehmer Kerl – das stimmt.«
»Was du nicht sagst …«
Von unten kam plötzlich ein Poltern. Albert tauchte wieder auf. Die Geräusche näherten sich der Zimmertür, untermalt von einem lauten Knurren. Ben versuchte sich aus seinem Stuhl zu winden, was ihm jedoch nicht gelang. Er kam vielmehr ins Wanken und stürzte mit einem lauten Plumps zu Boden.
»Oh … Himmel! Nashorn im Anmarsch.« Mühsam zog er sich am Tisch hoch. »Tut mir leid. Normalerweise schläft er nach dem Mittagessen etwas länger.«
»Und wann schläfst du?«
»Wenn Mara zu Hause ist. Also etwa zwei Mal die Woche für vier Stunden. Oder zumindest kann ich mich daran erinnern. Brian wird wahrscheinlich mit der Vorstellung aufwachsen, dass ich schon
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