Poltergeist
Geister und Monster. Aber ich weiß nicht, ob man Volksweisheiten als zuverlässige Quelle betrachten sollte.«
»Die Wissenschaft ist aber auch nicht immer zuverlässig«, gab ich zu bedenken.
»Stimmt … Ich werde mal nachschlagen. Brian, bleib hier! Ich muss erst meine Jacke anziehen.«
Mühsam schlüpfte er in eine Jacke, ohne dabei Brian loslassen zu wollen und das Gespräch mit mir zu unterbrechen. »Ist das jetzt eine allgemeine Frage, oder hat es etwas mit dem Fall zu tun, an dem du gerade arbeitest?«
»Sowohl als auch. Tuckmans Beobachtungskabine ist
durch eine doppelte Glasscheibe von dem Raum, in dem die Séancen stattfinden, getrennt. Meist kann ich das Grau auf der anderen Seite kaum erkennen. Die Energiekonzentration muss entweder sehr stark sein oder sich in der Nähe des Fensters befinden, damit ich überhaupt etwas ausmachen kann. So ist es mir schon öfter ergangen. Zum Beispiel kann ich vom Auto aus weniger gut ins Grau schauen als im Freien.«
»Das mit dem Auto könnte ein Sonderfall sein. Aber ich werde mal sehen, was ich zu diesem Thema finden kann. Was wolltest du noch wissen? Wir sollten uns beeilen, ehe das Nashorn losstürmt.«
»Ich wollte noch wissen, wie man Poltergeister-Erscheinungen künstlich hervorrufen kann, sodass die Teilnehmer von Tuckmans Séancen in die Irre geführt werden.«
»Soll das heißen, dass Tuckman seine Ergebnisse frisiert?« Ben klang schockiert.
»Nein, das nicht. Aber ich muss herausfinden, wie man diese Phänomene theoretisch erzeugen könnte, damit ich ihm beweisen kann, dass sie nicht künstlich hervorgerufen werden. Das glaube ich zumindest.«
»Verstehe. Du möchtest also wissen, wie solche Schwindeleien funktionieren würden und wie man sie eindeutig als solche identifizieren kann. Ich bin mir sicher, dass ich da irgendwo noch etwas zu habe. Aber da muss ich erst mal suchen.«
»Ich hoffe, das macht dir nichts aus?«
»Nicht, wenn es dir nichts ausmacht, dass ich vielleicht eine Weile brauche. Mir ist diese Art von Ablenkung sogar ganz recht. So kann ich zur Abwechslung einmal über etwas anderes nachdenken als über Nashörner und Haushalt.«
Brian riss stärker an Bens Hand und gab erneut seinen Nashornruf zum Besten. Ich fragte mich, woher er die Idee hatte, dass Nashörner solche Geräusche von sich gaben. Warum konnte er nicht endlich Ruhe geben? Während wir auf die Veranda traten, musste ich ziemlich laut brüllen, damit mich Ben überhaupt hören konnte. »Danke! Ich rufe dich in den nächsten Tagen an, falls du mich nicht zuerst kontaktierst.«
Ben sah mich entschuldigend an. »Es tut mir echt leid, dass wir so schnell unterbrochen wurden.«
Ich winkte ab. »Ist schon in Ordnung. Du hast die wichtigsten Fragen sowieso beantwortet.« Ich hob das Buch in die Höhe. »Und das bekommst du zurück, sobald ich damit durch bin.«
»Lass dir Zeit.«
Sein Sohn riss erneut an seiner Hand. Die Haustür hinter uns fiel ins Schloss, und ich konnte hören, wie der Riegel vorgeschoben wurde, ohne dass ihn jemand berührt hätte. Wahrscheinlich war es Albert, der den Sicherheitsdienst mimte.
Als ich allerdings dem Nashorn und seinem Vater die Stufen hinunter in den Vorgarten folgte, tauchte Albert plötzlich neben mir auf und flüsterte mir etwas zu.
Ich sah ihn misstrauisch an. »Was ist los?«
Er blieb stehen, blinzelte und lächelte dann schmallippig, ehe er sich in Luft auflöste.
Mit dem Buch in der Hand ging ich zu meinem Wagen zurück. Ich hatte vor, mich nun als Erstes eingehender mit den einzelnen Teilnehmern des Projekts auseinanderzusetzen. Es war wirklich an der Zeit, sie einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.
Die Akten, die mir Tuckman gegeben hatte, lagen auf
meinem Schreibtisch im Büro. Mir blieb also nichts anderes übrig, als zum Pioneer Square zurückzukehren.
In meinem Büro blinkte das Licht des Anrufbeantworters. Ich drückte auf den Abspielknopf.
»Harper!«, rief Phoebes Stimme. »Du steckst echt in Schwierigkeiten, Mädchen! Rufst du deshalb nicht zurück? Ich habe es seit gestern immer wieder bei dir versucht. Wenn du mich nicht zurückrufst, wirst du miterleben müssen, wie ich mich in eine alte Obeah-Frau verwandele und dir einen Fluch auf den Hals hetze.«
Überrascht holte ich meinen Pager heraus und starrte ihn an. Das Display war dunkel.
Währenddessen erklang Rey Solis’ Stimme in meinem Büro. »Hallo. Ich würde gerne mit Ihnen über die Liste sprechen. Rufen Sie mich bitte vor fünfzehn Uhr
Weitere Kostenlose Bücher