Poltergeist
makellos weißes Hemd
ein bisschen zu groß und seine Krawatte locker, aber doch korrekt geknüpft. Ich war mir sicher, dass er viel Zeit damit verbrachte, jung und sexy zu wirken, und war wieder mal froh, mich mit solchen Dingen nie aufzuhalten.
»Sie wollten mit mir über Tuckmans Projekt sprechen – nicht wahr?«
»Genau. Haben Sie etwas Zeit für mich?«
»Oh, ja. Die Filme laufen noch eine Weile, und sonst gibt es gerade auch nichts zu tun. Warum setzen wir uns nicht an den Kamin? Dort sind wir ungestört.«
Ich folgte ihm zu den großen Sesseln, die vor dem Kamin standen. Er setzte sich neben mich, anstatt mir gegenüber, sodass ich mich über die Armlehne beugen musste, um ihm ins Gesicht sehen zu können.
»Also – was wollen Sie von mir wissen?« Irgendetwas belustigte ihn, denn er grinste verschmitzt.
»Wann haben Sie begonnen, an den Séancen teilzunehmen, und warum?«
Er lachte, und sein Lachen ließ einen seltsamen Schimmer um ihn herum aufleuchten – kleine Farbfragmente, die sich in einem gebogenen Spiegel zu reflektieren schienen. So etwas hatte ich noch nie zuvor gesehen.
»Vergangenen Dezember habe ich mich irgendwie … irgendwie ziellos gefühlt. Ich hatte den Eindruck zu stagnieren. Sie wissen schon – man macht immer wieder dasselbe, sieht dieselben Leute, und irgendwann wird es langweilig. Deshalb dachte ich mir, dass ich mir etwas außerhalb des Soziologie-Instituts suchen muss – dort studiere ich -, um endlich mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen. Ich gebe zu, dass ich jede Gruppe, in der ich mich bewege, genau unter die Lupe nehme. Ist so eine Angewohnheit.«
Er lachte selbstgefällig. »Und ich muss sagen, dass Soziologen
meistens leider nicht gerade spannend sind. Sie scheinen immer auf der Hut zu sein. Es gibt wohl kaum etwas, das weiter von einer analysierenden Beobachtung entfernt sein könnte als die Erschaffung eines Poltergeists. Das müssen Sie zugeben! Natürlich denkt man gleich an ein unorganisiertes Kollektiv und so, aber ich versuche trotzdem, es zu genießen, anstatt die ganze Zeit zu analysieren, was da soziologisch genau abläuft.«
»Dann ist es für Sie also in gewisser Weise eine angenehme Abwechslung?«
»Genau. Außerdem ist das eine gute Mischung, die da zusammenkommt.«
»Also interessant?«
Er lachte erneut. »Ja, wirklich interessante Leute. Wir verstehen uns alle prächtig. Ana und ich sind ein paar Mal mit Mark und Ken ausgegangen. War wirklich immer lustig. Na ja … Ich muss zugeben, dass Terry ziemlich schrecklich sein kann, aber da ich mich nicht mit ihm auseinandersetzen muss, ist es im Grunde egal. Meistens macht es großen Spaß, und für mich hat es sich ja auch wirklich gelohnt.«
Ich sah ihn fragend an. »Wie meinen Sie das?«
Er lächelte mich schief an und blickte dann zu Boden. »Ich weiß, dass ich das nicht sagen sollte, aber ich finde es manchmal wirklich schwierig, Ana alles zu bieten. Sie ist das Wichtigste in meinem Leben, aber … Es ist eben auch gut, noch andere Leute zu treffen, neue Freunde zu finden. Es ist wahrscheinlich ziemlich selbstsüchtig von mir und Ana gegenüber nicht sehr nett.«
»Sie meinen Ana Choi – nicht wahr? Sie macht doch auch mit, oder?«
Er blickte auf. »Genau. Bitte erzählen Sie das keinem. Ich möchte nicht, dass Ana glaubt, ich mag die anderen lieber
als sie. Wir können beide manchmal ziemlich eifersüchtig sein. Das hier ist doch vertraulich, oder?«, fügte er hastig hinzu. Seine blauen Augen sahen mich beinahe flehend an. Gleichzeitig konnte ich für einen Moment deutlich die Grübchen in seinen Wangen und das Flackern dieser seltsamen Farbe erkennen.
»Natürlich ist unser Gespräch vertraulich, Mr. Markine.« Ich fragte mich, warum er gleich zu Beginn über Ana und ihre gemeinsame Beziehung sprach.
Er seufzte auf und lehnte sich in seinem Sessel zurück. »Sie wissen gar nicht, wie erleichtert ich bin. Diese ganze Sache mit dem Projekt ist eine unglaubliche Erfahrung für mich, und ich möchte sie nicht ruinieren.«
»Und wie läuft das Projekt Ihrer Meinung nach?«
»Fantastisch! Wirklich ganz großartig! Manchmal ist es sehr aufregend. Zum Beispiel am Mittwoch war wirklich was los.« Er stieß einen leisen Pfiff aus. »Beeindruckend, aber gleichzeitig auch ziemlich ermüdend. Hinterher waren wir alle total kaputt. Echt wow!«
»Ist Ihnen je der Gedanke gekommen, dass es sich bei den Erscheinungen um künstlich hervorgerufene Phänomene handeln könnte?«
Er blinzelte und
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