Poltergeist
doch schon gesagt, dass es mir da gefällt.«
»Ja, schon, aber ich meine die Leute. Sagen die Ihnen auch zu?«, hakte ich nach, ließ den Motor an und lenkte das Auto in Richtung PNU.
»Ja, die meisten schon.«
Ich beobachtete ihr Spiegelbild in der Windschutzscheibe. Von diesem Blickwinkel aus konnte ich keine gelbe Energielinie erkennen. »Gibt es denn jemanden, mit dem Sie sich nicht verstehen oder bei dem Sie sich unwohl fühlen?«
Sie lachte. »Wissen Sie, das ist mir eigentlich ziemlich egal. Ich finde die meisten ganz nett, aber ich kenne sie nicht gut genug, um mir groß Gedanken über sie zu machen. Sie sind in Ordnung, aber das war es auch schon. Für mich bedeuten sie nichts Besonderes.«
»Nicht einmal Ian?«
Sie schnitt eine Grimasse und rollte mit den Augen. »Ach – Ian. Manchmal glaube ich, dass ich sogar ihn nicht mehr mag. Er kann so gemein und selbstsüchtig sein. Außerdem verbringt er überhaupt keine Zeit mehr mit mir. Ständig hat er etwas vor, und wir haben nicht einmal mehr … äh, unser Liebesleben existiert gar nicht mehr – außer wenn es schlecht läuft. Ich bin der Gruppe nur beigetreten, weil er mich darum gebeten hat und ich dachte, dass wir uns dann öfter sehen würden. Doch inzwischen benimmt er sich manchmal so, als ob es ihm lieber wäre, wenn ich gar nicht mehr kommen würde.«
Das passte nicht zu Ians Version der Dinge, aber so etwas überraschte mich schon lange nicht mehr. Ich erinnerte mich außerdem daran, wie Ana zurückgezuckt war, als Ian ihre Haare aus den Ohrringen befreit hatte.
»Und wieso glauben Sie, dass es ihm lieber wäre, wenn Sie nicht mehr kämen?«, hakte ich nach.
»Damit er ungestört mit Cara Stahlqvist flirten kann. Er ist echt ein Idiot.«
»Wenn er ein solcher Idiot ist, verstehe ich nicht, warum Sie noch immer hingehen.«
Sie warf mir einen finsteren Blick zu. »Es ist schließlich auch mein Projekt. Warum sollte ich Ian erlauben, mich zu verscheuchen? Außerdem … außerdem ist er nicht der Einzige, der dort zählt.«
»Sie haben mir doch gerade erklärt, dass Ihnen keiner der anderen etwas bedeutet.«
Sie sah aus dem Fenster. »Das stimmt so nicht ganz.«
»Treffen Sie dann noch jemanden anderen aus der Gruppe?«
»Nein, das nicht. Nicht außerhalb der Gruppe. Manchmal gehen wir zwar zusammen aus, um kurz noch etwas zu trinken … Und ich unterhalte mich gerne mit ihm. Er redet auch gern mit mir.«
»Wer denn?«
Sie errötete. »Ken.« Noch immer schaute sie aus dem Fenster.
Ich nickte. »Weiß Ian davon?«
»Keine Ahnung. Ich glaube nicht. Ken zieht Ian manchmal auf, und zwar wegen mir. Aber Ian lacht nur darüber. Ich glaube, er wäre nicht so entspannt, wenn er von Ken wüsste. Aber noch weiß er nichts.«
»Haben Sie vor, das mit Ken irgendwie auszubauen?«
Sie seufzte. »Ich weiß nicht. Ich kann nicht einfach Ian verlassen und sofort mit Ken etwas anfangen. Das wäre nicht gut. Nicht gut für die Gruppe. Ian ist nicht der Typ Mann, der es so einfach hinnehmen würde, wenn er verlassen wird. Und außerdem … Es ist nicht leicht, wissen Sie? Manchmal möchte ich nur meine Ruhe haben. Ich will keinen großen Ärger verursachen.«
Ich schüttelte den Kopf, sagte aber nichts. Die drei hatten sich da in eine ziemlich prekäre Lage gebracht. Unglück zieht nicht nur anderes Unglück an, sondern schafft auch
neues. In der Gruppe herrschten überall erotische Spannungen und Machtkämpfe, aber irgendwie schien das dazuzugehören.
»Ich wähle einfach nie die richtigen Männer«, meinte Ana. »Aber zumindest haben meine Eltern nichts gegen Ian. Wenn ich mit Ken ausginge, würden sie vermutlich durchdrehen.«
»Warum denn?«
»Mein Vater würde bestimmt meinen, dass er nicht gut genug für mich wäre. Und meine Mutter stellt sich automatisch auf die Seite meines Vaters. Das gehört sich so. Für eine traditionelle chinesische Ehefrau, wissen Sie?«
»Ich verstehe noch immer nicht. Warum ist Ian, der gemein zu Ihnen ist, für Ihre Eltern in Ordnung, Ken aber nicht, obwohl er Sie verteidigt?«
Sie sah mich an und blinzelte peinlich berührt. »Weil Ken braun ist.«
»Wie bitte?«
»Er ist braun. Also nicht weiß.«
»Aber Sie sind doch auch nicht weiß.«
»Natürlich nicht. Aber mein Vater ist ein Rassist. Er findet, dass Farbige schmutzig oder schlecht sind. Wenn man schon nicht weiß oder chinesisch ist, dann sollte man zumindest asiatisch sein.«
»Weiß er denn nicht, dass Indien zu Asien gehört?«
»Es ist aber
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