PolyPlay
präsentieren wir in dem Prozess Harry. Heribert Konz. Und was wird passieren?«
»Die lachen uns aus«, sagte Pasulke düster.
»Ganz genau. Kopierst du das? Eins fürs schwarze Brett und eins für mich?«
»Gemacht.«
Pasulke stand unschlüssig in Kramers Büro herum, konnte nicht den Mund aufmachen und konnte nicht wegtreten.
»Was denn?«, fragte Kramer, der diesen Zustand seines Kollegen bei sich selbst als die Pasulkesche Lähmung bezeichnete.
»Ich hab noch einen Zeugen. Noch beknackter als Harry.«
Kramer seufzte. »Der Tag ist eh im Arsch.«
»Nie-der-kar-tät-schen!«, schrie gerade jemand, als sie die Tür zum »Hasenstall« aufmachten, der selten benutzten Verhörbox aus Plexiplaste und Neon, in die Schumacher den Zeugen gesteckt hatte. An der Wand, auf dem roten Zeugenstuhl, saß ein sehr alter Herr in sehr korrekten, wenn auch ein wenig abgeschabten Kleidern und erregte sich. Er atmete schwer, sein Kopf war hochrot, und ein feiner Schweißfilm stand auf seiner Stirn.
»Niederkartätschen hätte man die sollen! Die ganze Bagage auf einmal!«
Schumacher sprang auf wie ein Kistenteufel und verzog sich, nicht ohne Kramer noch ein leises, aber sehr nachdrückliches »Operation Neescherfett« zugeworfen zu haben.
»Wen hätte man niederkartätschen sollen, Herr …«
»Doernberger«, warf Pasulke ein.
» … Doernberger?«
»Was?«, zischte Doernberger. Er schien sich erst jetzt der Tatsache bewusst zu werden, dass sein Gesprächspartner gewechselt hatte. »Und wer sind Sie?«
Kramer amüsierte sich. Aber er ahnte, dass sich das schnell ändern konnte. »Oberleutnant Kramer. Der bin ich.«
»Oberleutnant!«, sagte Doernberger. »Na immerhin. Wissen Sie, wer ich bin?«
»Herr Doernberger, ja. Das sagten Sie schon.«
»Ich bin, Oberleutnant Kramer, der Verfasser der Kurzen Geschichte der DDR aus dem Jahre 1964, falls Ihnen das etwas sagt. Schulbuch. Nationalpreisträger!«
Kramer hatte keinen blassen Dunst. 1964 war er sieben Jahre alt gewesen. »Ah ja«, sagte er neutral, und Doernbergers Miene hellte sich eine Spur auf. Er deutete Kramers Floskel als vages Wiedererkennen.
»Die hätte man neutralisieren müssen, diese Westler! Wie die Heuschrecken sind sie über den antifaschistischen Schutzwall hergefallen, wie die Heuschrecken! Kaum war ihr Saustall zusammengebrochen, wollten sie sich an unseren sozialistischen Errungenschaften vergreifen, an unserem Arbeiter- und Bauernstaat. An unserem Müller-Lohmann-Prozess! Was haben wir uns von denen nicht jahrzehntelang anhören müssen! ›Sozialistische Misswirtschaft‹! ›Unrechtssystem‹! ›Mauermorde‹! Und kaum geht ihr wunderbarer Kapitalismus zu Boden, kommen sie angelaufen und erinnern sich an die Brüder von drüben, die sie durchfüttern sollen. Und weil unsere Führung zu schwach war, hat sie den Schutzwall geöffnet und dieses bis ins Mark verfaulte Westgesindel hier hereingelassen. Wenn der Genosse Honecker noch Staatsratsvorsitzender gewesen wäre, der hätte es diesem Pack gezeigt. Aber die neue Führung war zu weich! Modrow hätte hinlangen müssen! Unter dem Genossen Honecker hätte es das nicht gegeben!«
Doernberger hatte Schaum in den Mundwinkeln. Seine Augen glitzerten fanatisch. Er war von heiligem Zorn beseelt. Kramer hatte davon gehört, dass es immer noch Liebhaber der alten Sitten gab, die so dachten, aber einem Exemplar dieser Gattung direkt ausgesetzt zu sein war hart. Er wechselte einen bedeutungsvollen Blick mit Pasulke.
»Sachte, sachte, Herr Doernberger. Wir wollen doch nicht …«
»Ich sehe es wie heute vor mir! Dieses Opportunistenpack aus dem Westen erpresst die Deutsche Demokratische Republik mit seinem Ultimatum zur Maueröffnung, und was macht die Führung? Sie gibt nach! Einfach so, genau in dem Moment, als wir die Systemauseinandersetzung schon gewonnen haben, weil der Westen wegen der zweiten Weltwirtschaftskrise in sich selbst zusammengekracht ist wie ein Kartenhaus! Genau, wie die Klassiker es vorhergesagt hatten! Und die DDR, die diese Wirtschaftskrise, das Ende der Sowjetunion und alles andere unter Führung des Genossen Honecker überstanden hat, was macht sie? Was macht der Arbeiter- und Bauern-Staat, das erste sozialistische Staatswesen auf deutschem Boden? Es gibt nach! Und die Hauptstadt ist voll mit diesem opportunistischen Westlergesindel, das seine Bettwäsche rot eingefärbt auf den Straßen spazierenträgt, der neue Staatsratsvorsitzende hält seine berühmte ›Rede an
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