PolyPlay
Lobedanz aus dem Erwähnten und dem Nichterwähnten die richtigen falschen Schlüsse zog, konnte ihn das von seinem Handballfuror ablenken, und vielleicht war ja sogar tatsächlich diese Eildurchsuchung drin. Er konnte Lobedanz durch den Telefonhörer denken hören.
»Wenn ich dich nicht kennen würde … ich lass mir das durch den Kopf gehen.«
»Sag mir doch bitte Bescheid, wer es macht. Ich möchte den Leuten gerne sagen, was sie der Abusch auf die Nase binden sollen und wonach gesucht werden muss.«
»Ich hab nichts versprochen.«
Kaum hatte Lobedanz aufgelegt, stand Pasulke in Kramers Zimmer.
»Guten Morgen«, sagte er ironisch. »Wie war's denn so gestern?«
»Schön«, sagte Kramer gut gelaunt. »Hier soll ja auch einiges los gewesen sein.«
»Durchaus, durchaus. Dürfte ich jetzt den derzeit weltbesten Handball-Rechtsaußen darauf hinweisen, dass wir einen Zeugen haben? Er wartet draußen.«
»Wenn ick det Ihnen doch sahre, Herr Kommissar! Ick hab een jesehn an dem Ahmd. Ick poof ja manchmal da, in dem Jeräteschuppen. Der Hausmeister macht det für paar Maak.«
Ich bin kein Kommissar, wollte Kramer sagen, ließ es aber bleiben. Heribert nervte ihn. Nicht nur dass er stank wie eine Kanalratte und dass er auch so ähnlich aussah, er redete vor allem völlig verquer daher. Schumacher und Natschinsky hatten sich schon längst dünne gemacht: »Kaffee holen« und »Rauchpause«. Das Klarste, was Kramer und Pasulke in einer Viertelstunde aus Heribert herausgeholt hatten, war die Behauptung, er habe een am Tatort jesehn. Jetzt fügte er seiner ausschweifenden Erzählung eine neue Facette hinzu. Der Hausmeister des Jugendclubs vermietete also ab und zu an Penner. Interessant. Wahrscheinlich hatte er deswegen auch solche Angst gehabt. Kramer hielt Heribert Konzens Ersatzausweis in der Hand. Heribert Konz, genannt »Harry«, geb. 20.5.1954, wohnhaft angeblich bei seiner Mutter in der Margaretenstr. 12, Friedrichsfelde, in Wirklichkeit nirgendwo. Beruf: Penner. Hatte seinen eigentlichen Ausweis so oft verloren, dass er einen Ersatzausweis brauchte. Der Heribert. Und wusste was über den Mord an Michael Abusch. Sagte er.
»Und ick will mir noch ma eben die Beene vertreten vorm Schlafenjehen, Wetter wa ja proper, und ick loof um den Club rum, jewissermaßen meen Abendspazierjang. Dit wahn schöner Tach vorjestern. Frühling und so. Wat will ick sahrn? Ick loof um den Club rum. Ick komm ooch an dem Saal vorbei, wo se die Spieljeräte drinham und alles. So richtisch Licht war keens drinne, aba dit Fensta war offn, und an die Decke so Lichtreflexe und so. Da sahr ick mir: Det is der Michael. Den kenn ick. Den hab ick mal jetroffen beim Pinkeln hinter dem Club und seitdem sind wa Freunde. Er is immer am Automaten da drinne, und ick penn in der Laube im Jahrtn. Also ick denk mir nüscht Böses, da hör ick jemand reden. Und det war nich der Michael, det kann ick schwören. Janz klar und deutlich sacht der: ›Was hast du denn da Feines?‹ Det hab ick mir jemerkt. So janz uff feiner Herr, wissen Se, wat ick meene? ›Was hast du denn da Feines.‹«
Heribert zog die Nase hoch. Der Rotz saß offenbar ziemlich fest.
»Komisch, denk ick mir. Komisch. Und denn – nüscht. Keene Antwort. Ick steh noch wat rum unter dem Fenster, drinne is Stille, und bin schon am Vajessen, da kommt eener raus aus dem Club, kommt auf die Straße und kommt, latscht vorbei an mir. Direkt an mir vorbei. Ick steh da janz still unter dem Fenster, ick tu so als hör ick die Vögel, und der Typ läuft direkt an mir vorbei. Feiner Herr, wie jesacht. Hut, Mantel, Anzuch. Allet in Weiß. Oder so dunkelweiß, wenn Se wissn, wat ick meene. Picobello. Und obwohl ick janz still bin, sieht a mich. Und wissen Se, wat er dann jemacht hat?«
»Nein«, sagte Kramer.
»Sein Hut hat er jezogn. ›Habe die Ehre‹, hat er nich jesacht, hätt er aber sahren könn. Ick schwör's Ihnen. Latscht an mir vorbei und zieht sein Hut.«
Kramer warf Heriberts Ersatzausweis auf den Schreibtisch. Er fühlte sich leer.
»Det könn Se mir gloobn, Herr Kommissar. Ick bin zwar ballaballa, aber det is wahr.«
Heribert hatte eine recht laute Stimme, aber der letzte Satz war ein wenig leiser gekommen.
»Wieso ballaballa?«
»Na wenn ick meene Tabletten vajesse, muss ick rüba, zur Scharritée. Weeß her jeda.«
Kramer sah Pasulke an. Der sah seine Fingernägel an.
»Ach so. Tabletten. Würden Sie den Mann vielleicht wiedererkennen?«
»Sie könn ›du‹ zu mir
Weitere Kostenlose Bücher