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PolyPlay

PolyPlay

Titel: PolyPlay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Hammerschmitt
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gewesen, es hätte sie gar nicht gegeben, denn sie waren bis auf Ausnahmen keine Kommunisten gewesen und hatten doch die Nazis aus einer Situation heraus bekämpft, die aussichtslos zu nennen Schönmalerei gewesen wäre. Aber durch irgendeinen Kniff in den verworrenen Vorgängen zur Neubenennung des Betriebs, durch irgendeinen Tagesordnungs-Winkelzug, wegen irgendwelcher Beziehungen hieß das Werk jetzt VEB Spielgeräte Fritz Theilen Köln. Kramer schaute hoch zu dem leuchtenden Schriftzug. Über die Fassade dachte er: Müsste mal gestrichen werden.
    Drinnen sah der Laden anders aus. Alles war so gut wie neu, vom Fußboden bis zu den Stühlen im Empfangsbereich. Stolze Schautafeln in der Loggia verkündeten, dass in diesem Betrieb die neuesten Erkenntnisse der sozialistischen Organisationswissenschaft beachtet wurden. Wie Kramer bei einem Blick aus dem Fenster in das weiträumige Hofareal feststellte, war das Werk viel größer, als es das vierstöckige Hauptgebäude vermuten ließ. In dem großen Hof schienen noch viele kleinere Nebengebäude, Baracken und Lagerschuppen zu liegen. Das Hauptgebäude selbst hatte noch mindestens einen lang gestreckten Seitenflügel, der von vorne ebenfalls nicht sofort auffiel. Es hätte ihn auch gewundert. Dieser VEB belieferte die ganze DDR und das benachbarte Ausland.
    »Butenand«, sagte der Mann im grauen Anzug, der ihm in der Eingangshalle mit ausgestreckter Hand entgegenkam. »Ich bin der Betriebsdirektor.«
    Butenand, so dachte Kramer sogleich, hatte es nicht sehr mit dem Lächeln, er war ein Mann der Vernunft. Er sah Kramer mit einer gewissen Ungeduld an, als gebe es Wichtigeres zu tun. In seinem linken Reversaufschlag steckte ein daumennagelgroßes Parteiabzeichen.
    »Kramer, Kriminalpolizei Berlin. Das hier ist Leutnant Pasulke, mein Mitarbeiter. Wir haben telefoniert.«
    Butenand nickte und führte sie zum Aufzug. Zwei andere Angestellte stiegen mit zu. Sie waren sehr viel bessere Lächler als Butenand. Bis zum vierten Stock fand der Betriebsdirektor noch Zeit, die beiden vorzustellen. Wegen der Enge in dem Aufzug geriet die Vorstellung ein wenig kabarettistisch.
    »Tja, meine Herren, ich möchte Sie schon einmal miteinander bekannt machen, weil ich im Moment nichts für Sie tun kann, außer Sie zu Ihrem Konferenzraum zu begleiten. Oberleutnant Kramer, Leutnant Pasulke, das sind Herr Dr. Frei und Herr Päffgen, die Betriebsleiter TKO und Sicherheit. Herr Päffgen, Herr Frei: Oberleutnant Kramer und Leutnant Pasulke von der Kriminalpolizei Berlin, Polizeiinspektion Friedrichshain.«
    »Angenehm«, sagte Kramer und wunderte sich darüber, wie ironisch das in seinen eigenen Ohren klang. Technische Kontrollorganisation und Sicherheit. Wie interessant, dachte er.
    Die Tür öffnete sich im vierten Stock, und Butenand trat noch mit der Vierergruppe hinaus auf den Gang.
    »Wenn Sie mich dann bitte entschuldigen würden. Ich habe eine wichtige Besprechung mit dem Leiter der Kreisplankommission, die sich so kurzfristig nicht mehr verschieben ließ. Ich hoffe, Ihr Gespräch wird fruchtbar sein.« Damit trat er zurück in den Aufzug, gerade rechtzeitig, bevor sich die Tür wieder schloss.
    »Hier entlang«, sagte Dr. Frei und lächelte dabei.
     
    »Ach, das mit den Geisterspielen«, sagte Herr Frei. »Dass das immer noch im Umlauf ist. Dafür hätten Sie nicht herkommen müssen, wirklich nicht. Das ist ein alter Mythos in der Polyplaygemeinde, dass es da noch andere Spiele außer den acht bekannten gegeben hätte.« Er lächelte.
    »Es hat also nie andere Spiele als die acht existenten gegeben?«
    »Nicht, soweit wir wissen. Es ist natürlich nicht völlig ausgeschlossen, dass experimentelle Versionen von irgendwelchen weiteren Spielen existiert haben, aber in den Handel sind nur die acht gekommen, wie wir anhand der Dokumentationen zweifelsfrei belegen können. Aber warum interessiert Sie das überhaupt? Der Junge wird sich doch nicht zu Tode gespielt haben, oder?«
    »Wir ermitteln in einem Mordfall und gehen allen Spuren nach, die wir für interessant halten«, entgegnete Kramer scharf. »Es muss Sie nicht interessieren, warum wir das tun.«
    Der dickliche Herr Frei und der schmale Herr Päffgen gingen Kramer gewaltig auf die Nerven. Bis jetzt hatte er nur unverständliches Techno-Kauderwelsch und ausweichende Phrasen gehört, und dafür war er nicht extra aus Berlin hergekommen. Das kleine, schäbige, leicht schmutzige Büro, in dem sie saßen, verbesserte seine Laune nicht. An

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