PolyPlay
der Decke hing eine schlichte Lampe in Grau, und die glühende Birne wurde hektisch von einer dicken Fliege umsurrt, die auf den schmuddeligen Fliegenstreifen neben der Lampe bisher nicht hereingefallen war. Es gab nichts zu trinken, von Essen ganz zu schweigen. Man hatte sicher lange gesucht, um für die Besprechung eine Umgebung zu finden, die so öde war wie diese.
»Sie haben eben von weiteren Steckplätzen für diese … diese Module in der Hauptplatine von Polyplay gesprochen.« Verdammt, warum war Merz nicht hier. Der hätte diesen ganzen Budenzauber auf einen Blick durchschaut.
Frei seufzte. »Ja. Wie ich schon sagte: Diese Steckplätze wurden nie belegt. Das weist darauf hin, dass zusätzliche Spiele für Polyplay tatsächlich geplant waren, aber wir haben nicht den Hauch eines Hinweises darauf, dass sie tatsächlich implementiert wurden.«
»Und in den bestehenden … ROMs können sie nicht versteckt sein?«
»Nein, ausgeschlossen. Dafür reicht der Speicherplatz einfach nicht aus. Diese ROMs waren auch keine EPROM-Bausteine, die man im Nachhinein hätte verändern können. Es tut mir Leid. Ihr Michael Abusch hat seine Zeit vergeudet.«
Und wir, willst du damit sagen, tun das auch. Was bist du nur für ein schlimmer, schlimmer Klugscheißer. Die Fliege stieß jetzt fortwährend an den blechernen Lampenschirm; das zehrte an Kramers Nerven. Ihm fiel auch nichts mehr ein, was er noch hätte fragen können, dafür war er technisch nicht beschlagen genug. Dr. Frei lächelte. Päffgen sah aus, als würde er demnächst vor Langeweile vom Stuhl fallen. Zu Kramers Überraschung griff jetzt Pasulke, der noch keinen Ton gesagt hatte, in das Gespräch ein.
»Sehen Sie, Dr. Frei, es gibt einen Grund, warum wir so hartnäckig hinter diesen Geisterspielen her sind. Der beste Freund von Michael Abusch ist der gleichen Meinung wie Sie. Er sagt, er halte nichts von dieser Geisterspieltheorie. Wir haben aber ein Problem mit seiner Aussage, weil er ein zutiefst unglaubwürdiger Mensch ist. Um genau zu sein, hat uns diese Unglaubwürdigkeit erst auf die Idee gebracht, die Geisterspiele könnten doch existieren. Oder Michael Abusch habe zumindest Gründe gehabt, ernsthaft danach zu suchen.«
Oha, dachte Kramer und lehnte sich genüsslich zurück. Plötzlich waren alle im Raum aufgewacht, Päffgen eingeschlossen. Die Grinsemaske des Dr. Frei ließ einen Hauch Unsicherheit durchschimmern.
»Sagen Sie, Dr. Frei«, fuhr Pasulke fort, »könnte irgendjemand, der sich gut mit der Polyplay-Konsole auskennt, die frei gebliebenen Steckplätze genutzt haben, um dort Sachen unterzubringen, die nicht dort sein sollen? Sie wissen, was ich meine?«
»Nicht genau, Herr Leutnant.«
»Porno. Gewaltkram. Illegale Computerspiele. Etwas, was es in der DDR offiziell nicht zu kaufen gibt. Wir sind immer noch auf der Suche nach einem Motiv für den Mord an Michael Abusch. Stricken wir doch einmal an einer ganz wilden Verschwörungstheorie. Nehmen wir einmal an, es habe diese Geisterspiele gegeben. Und nehmen wir weiterhin an, sie seien hochgradig illegal gewesen, aus welchem Grund auch immer. Dann brauchen wir als weitere Zutat noch einen Zirkel, eine Gruppe, eine Subkultur, die sich mit diesen illegalen Spielen auskennt, sie weiterverbreitet, mit ihnen Geschäfte macht. Und zu guter Letzt könnte man phantasieren, Michael Abusch habe in irgendeiner Weise mit dieser Subkultur zu tun gehabt und sie gefährdet, entweder absichtlich oder unabsichtlich. Aber um uns all diese weit hergeholten Ideen überhaupt einfallen lassen zu können, brauchen wir eine Aussage zu der Frage, ob zusätzliche Spiele überhaupt möglich sind. Was meinen Sie, Herr Dr. Frei? Sind sie es?«
Kramer hätte Pasulke am liebsten geküsst. Offenbar hatte auch Pasulke die Schnauze voll und setzte mal die Daumenschrauben an. Geschickt, sehr geschickt.
Dr. Frei lächelte immer noch, aber auf seiner Stirn war ein leichter Schweißfilm zu sehen, und er atmete tiefer und schneller als vorhin. Er tat so, als denke er ernsthaft über Pasulkes Fragen nach, und sagte dann vorsichtig: »Das ist sehr, sehr unwahrscheinlich. Dazu bräuchte es eine Menge Fachwissen. Man müsste unkontrolliert an EPROM-Speicherbausteine herankommen. Man müsste programmieren können. Und man müsste sehr genau über Polyplay Bescheid wissen. Außerdem: Warum Polyplay? Unsere ›Freundschaft‹-Konsole ist technisch viel weiter fortgeschritten und kann viel realistischere Sachen darstellen. Im Vergleich
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