Pommes rot-weiß
Er findet es nicht einmal für nötig einzuschreiten, nachdem der Mann immerhin den Anstand hatte, nach seiner Tat ein umfassendes Geständnis abzulegen.«
»Aber das ist doch Unsinn! Ich habe Ihnen doch gesagt, dass…«
»Unsinn? – Ich werde Ihnen sagen, was Unsinn ist. Unsinn ist, einen Mitarbeiter dafür zu bezahlen, dass er herumsteht und große Reden schwingt. Dass er, nur um ein armseliges Spiel zu gewinnen, dem Geschäft erheblichen Schaden zufügt.«
»Erheblichen Schaden, aber ich bitte Sie…«
»Nein! Bitten Sie mich nicht, es wäre zwecklos.« Lämmerhirt rückte einen Schritt von mir ab, als sei er sich plötzlich der Ansteckungsgefahr bewusst geworden. »Erst einmal schminken Sie sich jetzt etwas ab, und zwar Ihren Job als Ladendetektiv.«
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
»Wegen dieses Missgeschicks«, mischte sich Olga ein, »wollen Sie ihn wirklich feuern, Chef?«
»Halten Sie sich aus der Sache heraus, Frau Öllisch. Außerdem war das kein einfaches Missgeschick.«
»Ihr letztes Wort?«, fragte ich.
»Allerdings.«
Ich wollte ihm noch an den Kopf werfen, dass ich mich schon morgen in ein neues Spezialgebiet einarbeiten würde: Buchhandlungen, die harmlosen Kunden Bücher in die Manteltaschen schmuggelten und sie des Diebstahls bezichtigten, weil sie ihre Ware auf normale Weise nicht loswurden. Aber ich beließ es dabei, wortlos den Laden zu verlassen und mich nicht mehr umzusehen.
»Einen Augenblick!«, stoppte mich Lämmerhirts Stimme. »Sie schulden mir noch fünfundzwanzig Mark.«
16
»Eben war sie noch da«, beteuerte Tilo Martens.
Mattau schüttelte den Kopf. Das war eine seiner ausdrucksstärksten Gesten. Andere brauchten Hunderte von Worten, um das zu sagen, was der Kommissar ausdrückte, indem er nur den Kopf schüttelte.
Ich kratzte mich am Kopf. »Also das gleiche Spiel wie beim letzten Mal.« Und dafür hatte ich meinen Job verloren.
»Nein, nicht das gleiche«, erklärte Mattau. »Diesmal war es nicht das Bett, sondern der Kleiderschrank. Und darin war auch kein toter Mann, sondern eine nackte Frau…«
»Sie war nicht nackt!«, verbesserte Tilo. »Sie trug ein Nachthemd. Und Würgemale am Hals. Sie sah ganz grau aus. Ihre Lippen waren grünlich und sie hatte schwarz lackierte Nägel. Ein scheußlicher Anblick.«
Es war ein Mittag so grau wie die geheimnisvolle Erwürgte. Kim trainierte in München und Hendrix hatte Signierstunde am Neumarkt.
Ausgerechnet jetzt ging bei Tilo wieder der Vorhang hoch. »Jemand erlaubt sich einen zynischen Scherz mit mir«, beharrte er. »Etwas anderes kann ich mir nicht vorstellen.«
»Es gibt mehrere Möglichkeiten«, ergänzte ich. »Jemand erlaubt sich einen Scherz mit Ihnen, Martens, oder mit Ihrer Schwester, die aber nie zu Hause ist, um sich an der Pointe zu ergötzen. Und die dritte und wahrscheinlichste Möglichkeit: Jemand erlaubt sich einen Scherz mit dem Kommissar und mir.«
»Und dieser Jemand«, sagte Mattau, »sind Sie, Martens.«
»Aber warum? Welchen Nutzen sollte ich denn davon haben?«
Mattau schüttelte wieder den Kopf. »Eigentlich eine gute Frage, Martens. Aber mit guten Fragen kommen wir hier nicht weiter. Stellen Sie lieber eine dämliche.«
»Zum Beispiel?«, erkundigte ich mich.
»Wieso in diesem drittklassigen Schauspiel regelmäßig ein Detektiv auftritt, der offenbar nichts dazulernt.«
»Der Detektiv hatte gerade Zeit, weil er seinen Job verloren hat. Und da hat er sich gesagt, wieso nicht mal in dieser Wohnung vorbeischauen, die auch ohne Leiche sehenswert ist…«
Ich trat ans Fenster und sah auf den Rhein hinunter. Für Touristen mochte der Ausblick eine tolle Sache sein, aber wenn man ihn regelmäßig genoss, fiel einem auf, dass dieser Fluss vor Abwechslungsreichtum nicht gerade sprühte.
»Und als er einmal da war, hat er sich dazu noch gefragt, wieso er immer wieder einen Kommissar antrifft, der gar nicht dort wohnt?«
»Er war zufällig in der Nähe.«
»Vielleicht gibt es da noch mehr Zufälle.«
»Nämlich?«
»Zufällig ist der Mann mit den eingebildeten Leichen der Sohn eines alten Bekannten, den der Kommissar jetzt nicht mehr kennt.«
»Reiner Zufall«, bestätigte der Kommissar.
»Es kommt noch besser. Guido Martens, der erfolgreiche Geschäftsmann, war vor einem halben Jahr in einen Fall verwickelt, indem es eine richtige Leiche gab. Nur der Mord war eingebildet. Dafür gab es kurz darauf einen Mord, für den es keinen Mörder gab. Die Polizei jedenfalls
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