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Pommes rot-weiß

Pommes rot-weiß

Titel: Pommes rot-weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Güsken
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legte den Fall zu den Akten.«
    Mattau grinste spöttisch. »Wer behauptet denn das?«
    »Melanie Storck, die Lebensabschnittspartnerin des Verblichenen.«
    »Der Fall Mölling.« Mattau schüttelte erneut den Kopf. »So ein Unsinn.«
    »Was?«
    »Zu den Akten gelegt«, sagte der Kommissar. »Das kann nur jemand sagen, der keine Ahnung hat, wie es bei uns aussieht. Bei uns liegen überall Akten herum. In den Ecken, auf dem Boden und auf den Fensterbänken. Zu den Akten legt man bei uns Büroklammern, Butterbrote und zerknülltes Papier. Aber keine Fälle.«
    »Heißt das, die Kripo sucht immer noch?«
    »So würde ich das nicht sagen. Ich wollte neulich ein Regal aus dem Baumarkt zusammenbasteln, aber am Schluss hatte ich ein Brett zu viel, dafür fehlten mir drei Schrauben. Irgendwann hat’s mir gereicht und ich hab das Ding einfach so stehen lassen, wie es war. Aber das heißt nicht, dass es ein toller Anblick ist.«
    »Kaum anzunehmen.«
    »Sie wissen doch, wie das ist, Kittel. Wir sind ständig unterbesetzt. Davon gehen dann noch die ab, die auf Fortbildungen sind. Dann gibt’s noch Erziehungsurlaub, Mittagspause, Besprechungen…«
    Ich sah wieder aus dem Fenster. Wenn man ganz nahe heranging, konnte man unten die Straße sehen. Regenschirme von oben, aus der Perspektive der Tropfen, wenige Sekunden bevor sie auf ihnen zerplatzten. Einer der Passanten hatte keinen Regenschirm. Er war in Eile und zwängte sich schräg gegenüber in eine Telefonzelle.
    »Wenn man’s genau nimmt«, sagte Mattau, »müsste ich eigentlich seit zwanzig Minuten in einer Besprechung sein.«
    Der Schrank, in dem Martens die Tote gefunden haben wollte, war ein ungewöhnlich großer Kleiderschrank, antik, wahrscheinlich ein Vermögen wert. Wir hatten ihn nur kurz in Augenschein genommen, nur so lange, um uns davon zu überzeugen, dass die Hauptsache fehlte.
    Eins der Kleidungsstücke in dem beachtlichen Möbel war ein gepunktetes Nachthemd, das auf einem Bügel hing. Vielleicht war es auch kein Nachthemd, sondern eher etwas für den Rosenmontag. Aber mit etwas Phantasie konnte man sich eine Frau darin vorstellen. Ich gab dem Bügel einen Stoß, um das Kleid schaukeln zu lassen, aber es rutschte ab.
    »Das gehört meiner Schwester«, erklärte Tilo.
    Auf dem Schrankboden, neben dem Kleid, fand ich etwas. Ein kleines, hartes Ding, das schwarz angemalt war. Ich ging damit zum Fenster und hielt es gegen das Licht. Ein falscher Zehnagel.
    »Etwas gefunden?«, erkundigte sich Mattau, trat neben mich und nahm ihn mir aus der Hand.
    Der Mann unten in der Telefonzelle hatte niemanden erreicht. Als ich den Zehnagel begutachtete, war er wieder auf die Straße getreten, und bevor er seinen Kragen hochschlug und zwischen den parkenden Autos verschwand, bohrte er für wenige Sekunden ratlos in der Nase. In dem Moment erkannte ich den Mann.
    »Ich muss dringend weg«, sagte ich, stürzte auf den endlos langen Flur und nahm Kurs auf die Wohnungstür.
    Natürlich kam ich zu spät. Henk war wie vom Erdboden verschluckt. Also fuhr ich nach Hause, um den Anrufbeantworter abzuhören. Meine Vermutung, dass er mich angerufen hatte, erwies sich als richtig.
    »Wo steckst du bloß schon wieder?«, fragte er. »Sei heute Abend im La Mancha. Wenn die Luft rein ist, können wir reden.«
    Bis dahin war alles, was ich hatte, ein schwarz lackierter Zehnagel. Das war nicht viel, aber eine ganze Menge dafür, dass er von einem Gebilde der reinen Phantasie stammte. Darüber sollte ich mit Tilo Martens reden, außerdem über ein Buch, das ich gelesen hatte. Es hieß Zu tot zum Schlafen und handelte von unglaublichen Vorfällen, die nur dazu dienten, eine reiche Erbin in den Wahnsinn zu treiben.
    Der Abstecher nach Hause hatte höchstens eine Dreiviertelstunde gedauert. Als ich jetzt bei Tilo schellte, öffnete mir der berühmte Hendrix im Badetuch und er schien nicht besonders erfreut, mich zu sehen.
    »Ich möchte zu Tilo.«
    »Der ist nicht da.«
    »Eben war er noch da.«
    »Eben noch da und jetzt nicht mehr«, belehrte er mich wie einen schlechten Schüler. »Man nennt das Weggehen.«
    Wenn ich es mir recht überlegte, konnte es nicht schaden, auch mit ihm ein paar Worte zu wechseln.
    »Könnte ich Sie vielleicht sprechen?«
    »Sie sehen doch«, er deutete auf sein Handtuch. »Sie haben mich aus der Wanne geholt.«
    »Das nicht«, zahlte ich ihm seine Schulmeisterei heim. »Ich habe geschellt, den Rest haben Sie selbst erledigt.«
    »Ach, sieh an«, wunderte er sich.

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