Pompeji
war dickflüssig und sirupartig und hatte die Farbe von Honig. Als er unter seiner Nase angekommen war, roch Attilius die süße Muffigkeit seines Duftes. »Und jetzt passt genau auf.« Plinius stellte den Pokal behutsam auf den Tisch.
Anfangs begriff Attilius nicht, was er zu demonstrieren versuchte, aber als er das Glas genauer betrachtete, sah er, dass die Oberfläche des Weins leicht vibrierte. Winzige Wellen strahlten vom Zentrum aus, wie das Beben einer gezupften Saite. Plinius hob das Glas hoch, und die Bewegung kam zum Stillstand; er stellte es wieder hin, und die Erschütterung war wieder sichtbar.
»Es ist mir beim Essen aufgefallen. Ich bin gewohnt, Dinge in der Natur zu beobachten, die anderen vielleicht entgehen. Die Erschütterung ist nicht kontinuierlich. Jetzt ist der Wein vollkommen still.«
»Das ist wirklich bemerkenswert, Plinius«, sagte Pomponianus. »Ich gratuliere dir. Aber ich fürchte, sobald ich ein Glas in der Hand halte, werde ich es nicht absetzen, bevor es leer ist.«
Der Senator war weniger beeindruckt. Er verschränkte die Arme und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, als hätte er sich selbst zum Narren gemacht, indem er diesen kindischen Trick beobachtete. »Ich weiß nicht, was daran bedeutsam sein soll. Der Wein bebt also? Das könnte viele Gründe haben. Der Wind …«
»Es weht kein Wind.«
»… schwere Schritte irgendwo. Oder vielleicht hat Pomponianus eine der Damen unter dem Tisch gestreichelt.«
Lachen löste die Anspannung. Nur Plinius lächelte nicht. »Wir wissen, dass die Welt, auf der wir stehen und die uns so still vorkommt, in Wirklichkeit unablässig herumwirbelt, und zwar mit unbeschreiblicher Geschwindigkeit. Und es kann sein, dass diese durch den Raum wirbelnde Masse ein so lautes Geräusch erzeugt, dass unser menschliches Ohr es nicht wahrnehmen kann. Es könnte zum Beispiel sein, dass die Sterne dort draußen läuten wie ein Glockenspiel, wenn wir nur in der Lage wären, sie zu hören. Könnte es sein, dass die Muster in diesem Weinglas die physikalische Manifestation dieser himmlischen Harmonie darstellen?«
»Weshalb sind sie dann manchmal da und manchmal nicht?«
»Das weiß ich nicht, Cascus. Es kann sein, dass die Erde in einem Moment sanft dahingleitet und im nächsten auf Widerstand stößt. Es gibt eine Schule, die behauptet, für die Winde sei der Umstand verantwortlich, dass sich die Erde in einer Richtung bewegt und die Sterne in der entgegengesetzten. Aquarius – was meinst du?«
»Ich bin Baumeister, Befehlshaber«, sagte Attilius taktvoll, »kein Philosoph.« Seiner Ansicht nach vergeudeten sie nur Zeit. Einen Moment lang erwog er, das seltsame Verhalten des Wasserdampfes am Morgen in den Bergen zu erwähnen, entschied sich aber dagegen. Läutende Sterne! Sein Fuß klopfte vor Ungeduld auf den Boden. »Ich kann dir nur sagen, dass der Hauptstrang eines Aquädukts so gebaut ist, dass er selbst den extremsten Kräften standhält. Wo die Augusta unterirdisch verläuft, was auf dem größten Teil der Strecke der Fall ist, ist sie sechs Fuß hoch und drei Fuß breit, sie ruht auf einem anderthalb Fuß dicken Fundament, und die Wände sind ebenso dick. Welche Kraft sie auch immer beschädigt haben mag, sie muss sehr stark gewesen sein.«
»Stärker als die Kraft, die meinen Wein erschüttert?« Plinius richtete den Blick auf den Senator. »Es sei denn, wir haben es überhaupt nicht mit einem natürlichen Phänomen zu tun. Aber was ist es dann? Ein Sabotageakt, vielleicht gegen die Flotte gerichtet? Aber wer würde das wagen? In diesen Teil von Italien ist seit Hannibal kein äußerer Feind mehr eingedrungen.«
»Und Sabotage würde kaum das Auftreten von Schwefel erklären.«
»Schwefel«, sagte Pomponianus plötzlich. »Das ist das Zeug in Blitzen, stimmt's? Und wer schleudert Blitze?« Er sah sich aufgeregt um. »Jupiter! Wir sollten Jupiter als Gott der oberen Lüfte einen weißen Stier opfern und seine Eingeweide von den Haruspices beschauen lassen. Sie werden uns sagen, was wir tun sollen.«
Attilius lachte.
»Was ist daran so komisch?«, wollte Pomponianus wissen. »Es ist nicht so komisch wie die Idee, dass die Erde durch den Raum fliegt – was, wenn ich das sagen darf, Plinius, die Frage aufwirft, warum wir dann nicht herunterfallen.«
»Es ist ein exzellenter Vorschlag, mein Freund«, sagte Plinius beschwichtigend. »Und als Befehlshaber bin ich gleichzeitig der oberste Priester von Misenum. Ich versichere dir, wenn ich einen
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