Pompeji
Die römischen Aquarii waren immer eine Familie gewesen – eine Kohorte, wie du zu sagen pflegtest. War Exomnius am Tag deines Triumphes einer der Wasserbaumeister auf dem Esquilin? Hat er mich zusammen mit den anderen über die Menge geschwungen?
Er lehnte sich in der Hocke zurück.
Zuerst verschwindet der Aquarius und dann das Wasser. Je länger er darüber nachdachte, desto mehr war er davon überzeugt, dass da ein Zusammenhang bestehen musste. Aber welcher? Er betrachtete die grob verputzten Wände.
Hier gab es keinerlei Hinweis. In dieser simplen Kammer war keine Spur vom Charakter eines Menschen zu finden. Und dennoch war Exomnius, Corax zufolge, zwanzig Jahre lang für die Augusta zuständig gewesen.
Er griff nach der Lampe und trat, die Flamme mit der Hand abschirmend, auf den Flur hinaus. Nachdem er den Vorhang auf der anderen Seite zurückgezogen hatte, ließ er das Licht in die Kammer fallen, in der Exomnius' Besitztümer lagerten. Zwei Holztruhen, ein Paar Bronze-Kandelaber, ein Umhang, Sandalen, ein Nachttopf. Nicht viel für ein ganzes Leben. Ihm fiel auf, dass keine der Truhen verschlossen war.
Er warf einen Blick auf die Treppe, aber das einzige Geräusch, das von unten heraufdrang, war Schnarchen. Immer noch die Lampe haltend, hob er den Deckel der vordersten Truhe und begann, sie mit seiner freien Hand zu durchsuchen. Kleidungsstücke – überwiegend alte –, die, als er sie anhob, einen starken Geruch nach schalem Schweiß verströmten. Zwei Tuniken, Lendentücher, eine ordentlich zusammengefaltete Toga. Er schloss den Deckel leise und öffnete die andere Truhe. Auch sie enthielt nicht viel. Ein Schaber zum Abstreifen von Öl in den Bädern. Eine Scherzfigur des Priapus mit einem übergroßen Penis. Ein tönerner Würfelbecher mit weiteren Penissen um den Rand herum. Die Würfel selbst. Ein paar Glasgefäße mit verschiedenen Kräutern und Salben. Zwei Teller. Ein kleiner Bronze-Pokal, stark angelaufen.
Er rollte die Würfel so leise er konnte in dem Becher und warf sie. Er hatte Glück. Vier Sechsen – der Venus-Wurf. Er versuchte es abermals und warf eine weitere Venus. Die dritte Venus machte die Sache klar. Gezinkte Würfel.
Er legte die Würfel beiseite und griff nach dem Pokal. War das wirklich Bronze? Als er ihn genauer betrachtete, war er nicht mehr sicher. Er wog ihn in der Hand, drehte ihn um, hauchte ihn an und rieb mit dem Daumen auf dem Boden herum. Ein Goldschimmer kam zum Vorschein und ein Teil des eingravierten Buchstabens P. Er rieb weiter, vergrößerte allmählich den Radius des funkelnden Metalls, bis er alle Buchstaben lesen konnte.
N. P. N. L. A.
Das L stand für libertus und bewies, dass es sich um das Eigentum eines Freigelassenen handelte.
Eines Sklaven, freigelassen von einem Besitzer, dessen Familienname mit einem P begann und der reich und vulgär genug war, seinen Wein aus einem goldenen Becher zu trinken.
Ihre Stimme klang plötzlich so laut in seinen Ohren, als stünde sie neben ihm.
»Mein Name ist Corelia Ampliata, Tochter von Numerius Popidius Ampliatus, Besitzer der Villa Hortensia …«
Das Licht des Mondes beleuchtete die glatten schwarzen Steine der schmalen Straße und ließ die Silhouetten der flachen Dächer deutlich vor dem dunklen Himmel hervortreten. Es schien noch fast ebenso heiß zu sein, wie es am Nachmittag gewesen war. Als er die Stufen zwischen den stillen, mit Läden verschlossenen Häusern hinaufstieg, konnte er sich vorstellen, wie sie vor ihm hereilte – die Bewegung ihrer Hüften unter dem schlichten weißen Kleid.
»Ein paar hundert Schritte – ja, aber die ganze Strecke bergauf!«
Er erreichte das ebene Gelände und die hohe Mauer der großen Villa. Eine graue Katze lief auf ihr entlang und verschwand auf der anderen Seite. Über dem mit einer Kette verschlossenen Tor sprangen die metallenen Delphine hoch und küssten sich. Er hörte die See, die gegen die Küste anbrandete, und das Zirpen der Zikaden im Garten. Er rüttelte an dem Eisengitter und drückte sein Gesicht gegen das warme Metall. Die Pförtnerloge war verschlossen und verriegelt. Nirgendwo war ein Licht zu sehen.
Ampliatus' Reaktion, als er am Ufer aufgetaucht war, kam ihm in den Sinn. »Was ist mit Exomnius passiert? Aber ist Exomnius nicht mehr der Aquarius?« In seiner Stimme hatte Überraschung gelegen und, wenn er jetzt darüber nachdachte, möglicherweise noch etwas anderes: Bestürzung.
»Corelia!« Er rief leise ihren Namen. »Corelia
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