Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pompeji

Pompeji

Titel: Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
Vom Netzwerk:
weißen Stier hätte, würde ich ihn auf der Stelle töten lassen. Aber fürs Erste dürfte eine praktischere Lösung erforderlich sein.« Er lehnte sich zurück, wischte sich mit der Serviette übers Gesicht und betrachtete sie dann, als könnte sie einen wichtigen Hinweis enthalten. »Also gut, Aquarius, ich gebe dir dein Schiff.« Er wandte sich an den Kommandanten. »Antius – welche ist die schnellste Liburne in der Flotte?«
    »Die Minerva, Befehlshaber. Torquatus' Schiff. Gerade aus Ravenna zurückgekehrt.«
    »Sorge dafür, dass sie bei Tagesanbruch auslaufen kann.«
    »Ja, Befehlshaber.«
    »Und ich will, dass an jedem Brunnen ein Hinweis angebracht wird, der den Bürgern klar macht, dass das Wasser jetzt rationiert ist. Es wird nur zweimal am Tag fließen, und zwar jeweils genau eine Stunde lang, bei Tagesanbruch und in der Abenddämmerung.«
    Antius stöhnte leise. »Vergisst du dabei nicht, dass wir morgen einen Feiertag haben? Es ist Vulcanalia.«
    »Ich bin mir durchaus bewusst, dass morgen Vulcanalia ist.«
    Ja, das stimmte, dachte Attilius. In der Eile seiner Abreise von Rom und über all den Sorgen wegen des Aquädukts hatte er den Kalender völlig aus den Augen verloren. Der dreiundzwanzigste August. Der Tag des Vulkan, an dem lebende Fische auf Freudenfeuer geworfen wurden, als Opfer zur Besänftigung des Feuergottes.
    »Aber was ist mit den öffentlichen Bädern?«, beharrte Antius.
    »Bis auf weiteres geschlossen.«
    »Das wird den Leuten nicht gefallen.«
    »Daran lässt sich nichts ändern. Wir sind ohnehin alle zu verweichlicht.« Er warf einen kurzen Blick auf Pomponianus. »Das Imperium wurde nicht von Männern erbaut, die den ganzen Tag in den Bädern faulenzen. Es wird den Leuten gut tun, einen Geschmack davon zu bekommen, wie das Leben früher einmal war. Gaius – setz einen Brief an die Ädilen von Pompeji auf, den ich unterschreiben werde. Fordere sie auf, alles zur Verfügung zu stellen, was für die Reparatur des Aquädukts erforderlich ist. Du weißt, wie das geht. ›Im Namen des Kaisers Titus Caesar Vespasianus Augustus und gemäß der Macht, die mir vom Senat und dem Volk Roms verliehen wurde, und so weiter‹ – etwas, das sie auf Trab bringt. Corax – offensichtlich kennst du das Terrain um den Vesuv herum besser als jeder andere. Du solltest derjenige sein, der losreitet und die Schadensstelle findet, während der Aquarius in Pompeji die Reparaturmannschaft zusammenstellt.«
    Der Kiefer des Aufsehers klappte herunter. Seine Bestürzung war ihm deutlich anzusehen.
    »Was ist? Hast du etwas einzuwenden?«
    »Nein, Befehlshaber.« Corax hatte sein Unbehagen rasch unterdrückt, nur Attilius war es aufgefallen. »Ich habe nichts dagegen, nach dem Leck zu suchen. Aber wäre es nicht sinnvoller, wenn einer von uns beim Reservoir bleibt und die Rationierung überwacht?«
    Plinius unterbrach ihn ungeduldig. »Für die Rationierung ist die Flotte zuständig. Das ist in erster Linie ein Problem der öffentlichen Ordnung.«
    Einen Augenblick lang sah es so aus, als wollte Corax widersprechen, aber dann nickte er mit finsterer Miene.
    Von der Terrasse drangen Frauenstimmen und ein helles Auflachen herein.
    Er will nicht, dass ich nach Pompeji gehe, dachte Attilius plötzlich. Dieses ganze Theater heute Abend – sein Sinn war, mich von Pompeji fern zu halten.
    Der kunstvoll frisierte Kopf einer Frau tauchte an der offenen Tür auf. Sie musste an die sechzig sein. Die Perlen an ihrem Hals waren die größten, die Attilius je gesehen hatte. Sie reckte dem Senator einen gekrümmten Finger entgegen. »Cascus, Liebling, wie lange wollt ihr uns noch warten lassen?«
    »Verzeih uns, Rectina«, sagte Plinius. »Wir sind fast fertig. Hat noch jemand etwas zu sagen?« Er blickte in die Runde. »Nein? In diesem Fall habe ich die Absicht, mein Mahl zu beenden.«
    Er schob seinen Stuhl zurück, und alle erhoben sich. Der Ballast seines Bauches machte ihm das Aufstehen schwer. Gaius bot ihm seinen Arm an, aber Plinius winkte ab. Er musste ein paar Mal auf dem Stuhl vorwärts rücken, um sich auf die Füße hochzustemmen, und als er endlich stand, war er atemlos. Mit einer Hand klammerte er sich am Tisch fest, mit der anderen griff er nach seinem Glas, doch plötzlich ließ er die Hand mitten in der Luft verweilen.
    Das kaum wahrnehmbare Beben des Weins hatte wieder eingesetzt.
    Plinius blies die Wangen auf. »Ich glaube, ich werde diesen weißen Stier doch opfern, Pomponianus. Und du«, sagte er zu

Weitere Kostenlose Bücher