Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pompeji

Pompeji

Titel: Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
Vom Netzwerk:
Stachel eines angriffsbereiten Skorpions. Das Schiff war menschenleer.
    »… Cuculla und Smyrina. Und dann ist da die rothaarige Jüdin Martha. Und ein kleines griechisches Mädchen, wenn du auf so etwas stehst – seine Mutter ist kaum zwanzig …«
    »Was nützt mir ein Schiff ohne Besatzung?«, murmelte Attilius. Schon jetzt war er nervös. Er konnte es sich nicht leisten, auch nur eine Stunde zu vergeuden. »Polites, lauf ins Lager und finde heraus, was los ist.«
    »… Aegle und Maria …«
    Der junge Sklave stand auf.
    »Nicht nötig«, sagte Corvinus und deutete mit dem Kopf auf den Zugang zum Hafen. »Sie kommen.«
    Attilius sagte: »Deine Ohren müssen besser sein als meine …« – aber dann hörte er sie auch. Hundert Paar Füße, die die Straße vom Ausbildungslager entlangliefen. Als die Leute die Holzbrücke des Damms überquerten, wurde der scharfe Rhythmus zu einem kontinuierlichen Donnern von Leder auf Holz, dann waren zwei Fackeln zu sehen, und die Abteilung schwenkte in die zum Kai führende Straße ein. In Fünferreihen kamen sie näher, angeführt von drei gepanzerten und behelmten Offizieren. Auf einen ersten Befehl hin hielt die Säule an; ein zweiter, und sie löste sich auf, und die Truppe bewegte sich auf das Schiff zu. Niemand sprach. Attilius wich zurück, damit sie passieren konnten. In den ärmellosen Tuniken wirkten die gewaltigen, muskelbepackten Arme und Schultern der Ruderer riesengroß und schienen in einem grotesken Verhältnis zu ihren Unterkörpern zu stehen.
    »Schau sie dir an«, sagte der größte der Offiziere. »Die Elite der Flotte: menschliche Ochsen.« Dann hob er vor Attilius salutierend die Hand. »Torquatus, Kapitän der Minerva.«
    »Marcus Attilius, Aquarius. Wir müssen los.«
    Das Beladen des Schiffes dauerte nicht lange. Attilius hatte keinen Sinn darin gesehen, schwere Amphoren mit Ätzkalk und Säcke mit Puteolanum vom Reservoir herschleppen und über den Golf befördern zu lassen. Wenn es in Pompeji tatsächlich von Bauleuten wimmelte, dann würde er von Plinius' Brief Gebrauch machen und alles beschlagnahmen, was er brauchte. Bei Werkzeug jedoch lagen die Dinge anders. Ein Mann sollte immer sein eigenes Werkzeug benutzen.
    Um die Gerätschaften an Bord zu befördern, ließ er eine Kette bilden und reichte ein Stück nach dem anderen zu Musa hinauf, der es dann Corvinus zuwarf – Äxte, Vorschlaghämmer, Sägen, Pickel und Schaufeln, Holzpfannen für den frischen Zement, Hacken, um ihn anzumischen, und die schweren Flacheisen, die sie benutzen, um ihn festzuklopfen –, bis schließlich alles Becco erreicht hatte, der auf dem Deck der Minerva stand. Sie arbeiteten schnell und wortlos, und als sie fertig waren, war es hell geworden, und das Schiff machte sich zum Auslaufen bereit.
    Attilius überquerte die Laufplanke und sprang aufs Deck hinunter. Eine Reihe von Seesoldaten mit Bootshaken wartete darauf, sie vom Kai abzustoßen. Von der Plattform unterhalb des Achterstevens, neben dem Steuermann, rief Torquatus hinunter: »Bist du fertig, Aquarius?«, und Attilius bejahte. Je früher sie aufbrachen, desto besser.
    »Aber Corax ist noch nicht da«, wandte Becco ein.

Zum Teufel mit ihm, dachte Attilius. Es war fast eine Erleichterung. Er wurde die Arbeit auch allein erledigen. »Das ist Corax' Problem.«
    Die Leinen wurden losgemacht. Die Bootshaken senkten sich wie Lanzen und trafen auf den Kai. Attilius spürte, wie das Deck unter seinen Füßen vibrierte, als die Riemen eingelegt wurden und die Minerva sich zu bewegen begann. Er warf einen Blick zurück an Land. Um einen der öffentlichen Brunnen hatte sich eine Menge versammelt, die darauf wartete, dass Wasser kam. Einen Moment lang fragte er sich, ob er nicht besser lange genug beim Reservoir geblieben wäre, um das Öffnen der Schleuse zu überwachen. Aber er hatte sechs Sklaven zurückgelassen, die sich um die Piscina kümmerten, und das Gebäude war von Plinius' Seesoldaten umstellt.
    »Da ist er!«, rief Becco. »Da ist Corax!« Er schwenkte die Arme über dem Kopf. »Corax! Hier sind wir!« Er warf Attilius einen vorwurfsvollen Blick zu. »Siehst du? Du hättest warten müssen!«
    Der Aufseher war mit einem Sack auf der Schulter und anscheinend tief in Gedanken versunken am Brunnen vorbeigeschlendert. Aber jetzt schaute er auf, entdeckte sie und begann zu rennen. Für einen Mann in den Vierzigern bewegte er sich schnell. Der Abstand zwischen dem Schiff und dem Kai wurde rasch größer – er betrug

Weitere Kostenlose Bücher