Poor Economics
weiter im Dorf aktiv. Die Wahlen waren nicht immer anonym, und die Wahlurnen verschiedenen Berichten zufolge oft mit gefälschten Stimmzetteln gefüllt. Eine Studie 22 zeigte, dass die Reform, die den Dorfbewohnern mehr Mitbestimmung ermöglichte, – trotz dieser Mängel – überraschend große Auswirkungen hatte. Nachdem in einem Dorf Wahlen eingeführt worden waren, stieg die Wahrscheinlichkeit, dass der Dorfvorsteher unpopuläre Vorschriften der Zentralregierung lockerte, wie etwa die Ein-Kind-Politik. Von der Umverteilung von Ackerland, die in chinesischen Dörfern von Zeit zu Zeit vorgenommen wird, profitierten häufiger Bauern aus der »Mittelschicht«. Ausgaben der öffentlichen Hand orientierten sich nun stärker an den Wünschen und Bedürfnissen der Dorfbewohner.
Die Korruptionsbekämpfung scheint ebenfalls in gewissem Umfang möglich zu sein, ohne die übergeordneten Institutionen umzugestalten. Relativ einfache Maßnahmen, wie die erfolgreiche Zeitungskampagne der ugandischen Regierung, zeitigen beeindruckende Erfolge. Eine andere interessante Geschichte hat sich in Indonesien zugetragen, wo auch nach dem Sturz von Suharto Korruption noch immer ein ziemlich großes Problem ist. Im Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International lag Indonesien 2010 auf Platz 110 von 178. In einem von der Weltbank geförderten Regierungsprogramm zum Aufbau von Infrastruktur auf dem Land, wozu auch Straßen gehörten, grassierte offenbar die Korruption. Die einfachste Art für die Gemeindevertreter, Gelder aus dem Förderprogramm abzuzweigen, war, überhöhte Rechnungen für Material auszustellen und Löhne abzurechnen, die nie gezahlt wurden. Unser Kollege Benjamin Olken engagierte Teams aus Ingenieuren und ließ in etwa 600 Dörfern jeweils ein Stück Straße aufgraben, um herauszufinden, wie viel Material dort tatsächlich verbaut worden war. Die geschätzten Kosten wurden dann mit den offiziellen Angaben verglichen.
Ein anderes Team befragte Leute, die auf den Baustellen beschäftigt gewesen waren, wie viel Lohn man ihnen gezahlt hatte. Die Unterschlagung war enorm: 27 Prozent der angeblich gezahlten Löhne und 20 Prozent der Materialien waren verschwunden. Was die Sache noch verschlimmerte: Nicht nur das Geld war weg. Die neu gebauten Straßen hatten zwar die geplante Länge (sonst wäre der Betrug zu offensichtlich gewesen), wegen des fehlenden Materials waren sie aber von schlechter Qualität und drohten daher von den nächsten stärkeren Regenfällen weggespült zu werden. 23
Um der Korruption Einhalt zu gebieten, teilten die für das Programm zuständigen Regierungsvertreter den Gemeindevorstehern mit, dass die Bauprogramme in Zukunft überprüft und die Ergebnisse öffentlich gemacht würden. Für diese Aufgabe engagierte die Regierung keine besonders vertrauenswürdigen Kontrolleure, sondern Leute aus dem bestehenden System. Und trotzdem sank aufgrund der drohenden Überprüfungen, wie Olken zeigen konnte, die Veruntreuung von Geldern um ein Drittel. Olken hatte zufällig ausgewählte Dörfer, in denen die Kontrollen durchgeführt wurden, mit solchen verglichen, in denen das nicht der Fall war.
Im indischen Bundesstaat Rajasthan arbeiteten wir mit der Polizeibehörde zusammen. Wir schickten »Testopfer« zu Polizeistationen, die die Beamten dort dazu bringen sollten, erfundene kleinere Delikte (gestohlene Handys, sexuelle Belästigung auf der Straße und Ähnliches) aufzunehmen. 24 Polizeistationen werden in Indien nach der Zahl der nicht aufgeklärten Fälle evaluiert, das heißt, je mehr unaufgeklärte Fälle, desto schlechter die Evaluation. Das Einfachste, um in der Evaluation besser abzuschneiden, ist demzufolge, so wenige Anzeigen wie möglich aufzunehmen. In unserer ersten Runde mit Testopfern kam es nur in 40 Prozent der Fälle so weit, dass die Beamten die Anzeige wirklich aufnehmen wollten (an diesem Punkt gaben sich unsere Testopfer dann zu erkennen). Unter solchen Umständen kann man gut nachvollziehen, dass die Armen nur selten versuchen, wegen kleinerer Delikte bei der Polizei Anzeige zu erstatten.
Die indische Polizei ist ein nahezu perfektes Beispiel für eine sich hartnäckig haltende Institution der Kolonialzeit. Obwohl sie ursprünglich dafür geschaffen worden war, die Interessen der Kolonialherren zu schützen, gab es nach der Erlangung der Unabhängigkeit keinerleiVersuche, die indische Polizei zu reformieren. Das Polizeigesetz von 1861 ist noch immer in Kraft! Seit 1977
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