Poor Economics
System gewählt wurde, hing vor allem von den Vorstellungen des britischen Verwaltungsbeamten ab, der für den betreffenden Distrikt zuständig war, und von den in Großbritannien zur Zeit der Inbesitznahme herrschenden Ansichten). Beim Zamindari -System war der örtliche Großgrundbesitzer für das Eintreiben der Pacht verantwortlich: Der konnte damit seine Macht vergrößern und die feudalen Strukturen festigen. Im Rayatwari- System war jeder Bauer für seine Grundsteuer selbst verantwortlich: In diesen Regionen entwickelte sich eine kooperativere, horizontale Sozialstruktur. Es fällt auf, dass dort, wo eine Elite dominiert – sogar 150 Jahre nachdem diese Form der Steuereintreibung praktiziert wurde –, mehr soziale Spannungen auftreten, die Ernteerträge niedriger ausfallen und weniger Schulen und
Krankenhäuser stehen, als in Dörfern, in denen man sich selbst um die Grundsteuer kümmerte.
Acemoglu und Robinson halten es nicht für undenkbar, dass ehemalige Kolonien aus diesem Teufelskreis aus schlechten politischen und schlechten ökonomischen Institutionen ausbrechen. Aber sie sagen, es sei nur mit vereinten Kräften und einer guten Portion Glück zu schaffen. Als Beispiele führen sie die Glorreiche Revolution in England und die Französische Revolution an. Dass es sich bei diesen beiden Ereignissen um gewaltige und mindestens 200 Jahre zurückliegende Umstürze handelt, entmutigt sie nicht völlig. Am Ende ihres Buches machen Acemoglu und Robinson verschiedene Vorschläge, wie sich Veränderungen vielleicht herbeiführen lassen, äußern sich aber sehr vorsichtig.
Es gibt noch zwei andere einflussreiche Standpunkte, die zwar Acemoglus und Robinsons grundsätzliche Haltung zum Primat der Institutionen teilen, aber nicht ihren tiefsitzenden Pessimismus. Die Vorschläge dieser beiden Gruppen könnten gegensätzlicher nicht sein: Die einen meinen, wenn Länder durch ihre schlechten Institutionen lahmgelegt werden, seien die reichen Länder verpflichtet, ihnen zu besseren Institutionen zu verhelfen, notfalls mit Gewalt. Die anderen dagegen sagen, jeder Versuch, Institutionen oder Politik von oben nach unten verändern zu wollen, sei zum Scheitern verurteilt, Veränderungen müssten von innen kommen.
Eine Möglichkeit, den Teufelskreis schlechter Institutionen zu durchbrechen, besteht darin, Veränderungen von außen zu »importieren«. Paul Romer, der vor einigen Jahren mit seinen Arbeiten zum Wirtschaftswachstum bekannt wurde, hatte eine scheinbar geniale Idee: Wenn du dein Land nicht führen kannst, vermiete es an jemanden, der es kann. 10 Doch ein ganzes Land zu lenken ist schwierig. Deshalb schlägt er vor, mit Städten zu beginnen, die klein genug sind, um sich gut managen zu lassen, und groß genug, dass die Veränderungen erkennbar werden. Angeregt vom Beispiel Hongkong, dessen Entwicklung die Briten höchst erfolgreich vorangetrieben hatten, ehe sie es an China zurückgaben,
entwickelte Romer das Konzept der »Charter Cities«: Es sieht vor, dass ein Land eine unbebaute Fläche an einen fremden Staat übergibt, der dann dafür verantwortlich ist, darauf eine neue Stadt mit guten Institutionen entstehen zu lassen. Wenn man buchstäblich bei null anfängt, kann man einen Satz guter Grundregeln etablieren (seine Beispiele reichen von Gebühren für Verkehrsstaus bis Grenzkostenkalkulation für Strom, nicht zu vergessen den gesetzlichen Schutz des Eigentums). Da niemand gezwungen wird, in diese Städte zu ziehen, und alle Neubürger aus freien Stücken kommen (das Land war vor der Stadtgründung nicht besiedelt), darf sich auch keiner über die neuen Regeln beschweren.
Einen kleinen Schönheitsfehler hat das Konzept: Es ist keineswegs sicher, ob sich die Regierenden armer Länder ohne Weiteres auf Vereinbarungen dieser Art einlassen würden. Und selbst wenn, bleibt ungewiss, ob sie einen Käufer fänden: Wie würden sie garantieren, das Territorium nicht einfach wieder zu übernehmen, wenn die Entwicklung erfolgreich verläuft? Solche Überlegungen brachten einige Entwicklungsexperten dazu, noch einen Schritt weiter zu gehen. In seinen Büchern Die unterste Milliarde: Warum die ärmsten Länder scheitern und was man dagegen tun kann und Gefährliche Wahl. Wie Demokratisierung in den ärmsten Ländern der Erde gelingen kann spricht der Oxford-Professor und frühere Weltbank-Ökonom Paul Collier von 60 »völlig abgewirtschafteten« Ländern (und denkt dabei an Tschad, Kongo und so weiter), in denen
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