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Poor Economics

Poor Economics

Titel: Poor Economics Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abhijit Banerjee , Esther Duflo
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etwa eine Milliarde Menschen leben. 11 Diese Länder seien gefangen in einem Teufelskreis aus schlechten ökonomischen und politischen Institutionen, und es sei die Pflicht der westlichen Welt, sie daraus zu befreien, nötigenfalls mit militärischen Interventionen. Als Beispiel für eine erfolgreiche Intervention dieser Art führt Collier die britische Unterstützung bei Sierra Leones ersten Schritten in Richtung Demokratie an.
    Einer der heftigsten Kritiker von Colliers Vorschlag ist, wie kaum anders zu erwarten, William Easterley. 12 Das Hauptproblem
sei, wendet er zu Recht ein, dass es leichter ist, sich ein Land einzuverleiben als zu wissen, wie man seine Geschicke gut lenkt. Die katastrophalen Bemühungen der USA, im Irak eine marktfreundliche Demokratie zu etablieren, stellen nur ein Beispiel aus der jüngeren Geschichte dar. 13 Allgemeiner gesprochen: Ein Hemd in Einheitsgröße kann nicht jedem passen. Institutionen müssen individuell auf die jeweiligen Gegebenheiten zugeschnitten sein, sich aus ihnen heraus entwickeln. Jeder Versuch, sie von oben herab verändern zu wollen, wird daher heftigen Widerstand herausfordern. Reformen können, wenn überhaupt, nur Schritt für Schritt durchgeführt werden, dabei muss man berücksichtigen, dass die vorhandenen Institutionen bestimmt nicht ohne Grund existieren. 14
    Das Misstrauen gegenüber Experten von außen macht William Easterly nicht nur äußerst skeptisch gegen Übernahmen durch Ausländer, sondern gegen ausländische Entwicklungshilfe im Allgemeinen. Unter anderem weil Entwicklungshilfe in der Regel von dem Versuch begleitet wird, die Landespolitik zu beeinflussen, selbst wenn die Zustände sich in Wahrheit verschlimmern, weil die Entwicklungshilfe auch dann weiterfließt, wenn die Regierenden korrupt sind. 15
    Trotzdem ist Easterly kein Pessimist. Er glaubt, dass die Länder ihren eigenen Weg zum Erfolg finden, wenn man sie in Ruhe lässt. Trotz seiner Abneigung gegen Experten und seiner Beteuerung, es gebe keine »Einheitsgrößen«-Lösungen, hat Easterly einen Expertentipp parat: Freiheit – so viel politische Freiheit wie möglich und wirtschaftliche Freiheit, im Sinne von freien Märkten, der »am meisten unterschätzten menschlichen Erfindung«. 16 Dazu gehört seiner Meinung nach auch, dass man den »sieben Milliarden Experten« die Gestaltung ihrer Zukunft überlässt. 17 Freie Märkte bieten den Unternehmern in spe die Möglichkeit, ihre Projekte auf den Weg zu bringen und zu Wohlstand zu kommen, wenn sie Erfolg haben. Als bekennender Nachfragewallah will Easterly auch, dass Regierungen aufhören, desinteressierten Massen Bildung und Gesundheitsvorsorge aufzudrücken, und
den Menschen stattdessen die Freiheit gewähren, selbst, durch kollektives Handeln, Wege zu Bildung und Gesundheit zu entwickeln.
    Natürlich gibt es eine Menge Beispiele, wo die Mitglieder einer Gesellschaft das Gefühl haben, dass ein völlig freier Markt doch nicht das Ideale ist. Erstens, so Easterly, 18 könnte es sein, dass die Armen nicht in der Lage sind, am Markt teilzunehmen, und Hilfe brauchen, bis der Markt einen Weg findet, sie zu erreichen. Zweitens werden ein paar Regeln benötigt, damit Markt und Gesellschaft funktionieren. Stellen Sie sich zum Beispiel Menschen vor, die nicht Auto fahren können, aber trotzdem Auto fahren möchten. Die Gesellschaft sähe es lieber, wenn sie es nicht täten, wohl wissend, was das für alle anderen bedeuten würde. Ein freier Markt für Führerscheine kann dieses Problem eindeutig nicht lösen. In einem schwachen oder korrupten Staat wird sich der freie Markt dennoch durch Bestechung und Korruption Bahn brechen. In Delhi wurde eine Studie zur Vergabe von Führerscheinen durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass die Erlangung einer Fahrerlaubnis weniger davon abhing, ob jemand Auto fahren konnte, sondern eher davon, wie viel man bereit war zu zahlen, um sie schnell zu bekommen. 19 Delhi hat also definitiv einen freien Markt für Führerscheine, und das ist genau das, was wir nicht wollen. Wie bekommt man nun den Staat dazu, seine Aufgabe zu erfüllen, ohne dass genau dasselbe geschieht wie auf dem freien Markt?
    Regierungen sind also notwendig, um die sogenannte Grundversorgung bereitzustellen und die Normen und Regeln durchzusetzen, die ein Markt zum Funktionieren braucht. Laut Easterly kann Demokratie dabei helfen, ein Feedback von unten nach oben einzurichten, mit dem sich Regierungen zur Rechenschaft ziehen lassen. Die spannende

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