Poor Economics
haben diverse Kommissionen zur Reformierung der Polizei immer wieder weitreichende Veränderungen empfohlen, davon wurde bis jetzt kaum etwas umgesetzt. Dennoch ist das System nicht annähernd so verkrustet, wie diese Geschichte vermuten lässt.
Unsere Test-Verbrechensopfer gaben sich immer dann zu erkennen, wenn die Beamten willens waren, ihre Anzeige aufzunehmen. Auf diese Weise wurde bei der Polizei bekannt, dass da Leute herumrennen, um sie auf die Probe zu stellen, indem sie Kleindelikte zur Anzeige bringen wollen. Obwohl man den Polizisten ausdrücklich sagte, dass die Daten aus den Tests nicht an ihre Vorgesetzten weitergegeben würden, und Fehlverhalten nicht sanktioniert wurde, stieg die Zahl der registrierten Anzeigen von 40 Prozent beim ersten Testbesuch auf 70 Prozent beim vierten. Für die Polizisten waren die Testopfer nicht als solche zu erkennen (es handelte sich um Leute aus der Gegend, die man mit entsprechenden Geschichten instruiert hatte), das heißt, die Bereitschaft, Anzeigen aufzunehmen, muss insgesamt gestiegen sein: Die Furcht davor, auf die Probe gestellt zu werden, reichte aus, um die Arbeit der Polizisten zu verbessern.
Überwachung von oben nach unten ist keine wirklich neue Idee. Aber Kontrollen und Tests scheinen effektiv zu sein, vermutlich weil es nicht ganz unwahrscheinlich ist, dass ihre Ergebnisse genutzt werden, um Fehlverhalten zu bestrafen. Ein paar von der Korruptionsbekämpfung überzeugte Leute innerhalb eines Systems würden genügen.
Informationstechnik könnte ebenfalls helfen. Nandan Nilekani, der frühere Geschäftsführer von Infosys, unterstützt – wie bereits erwähnt – die indische Regierung in ihrem Bestreben, jeden Bürger mit einem »eindeutigen Identitätsnachweis« auszustatten,
der aus den Fingerabdrücken und Fotos von der Iris beider Augen bestehen soll. So soll es möglich werden, jede im System registrierte Person an jedem Ort zu identifizieren, der über eine entsprechende Software zur Erkennung der Fingerabdrücke verfügt. Dann könnte man beispielsweise verlangen, dass Personen, die subventioniertes Getreide aus den Fair-Price-Shops der Regierung abholen wollen, ihre Fingerabdrücke überprüfen lassen müssen. Das würde es für Ladenbesitzer sehr viel schwieriger machen, das Getreide zum Marktpreis weiterzuverkaufen und zu behaupten, sie hätten es an die Armen verkauft. An den grundsätzlichen Schwächen des institutionellen Rahmens in Indien ändert sich dadurch nichts. Trotzdem könnte diese »technische Hilfe« dazu beitragen, das Leben der Armen deutlich zu verbessern (wofür wir aber noch keine Belege haben, da das System noch nicht vollständig eingerichtet ist).
Dezentralisierung und Demokratie in der Praxis
Obwohl es, was Verantwortung und Korruption angeht, selbst im Rahmen von grundsätzlich »schlechten« INSTITUTIONEN noch Spielraum für Verbesserungen gibt, kann umgekehrt niemand dafür garantieren, dass gute INSTITUTIONEN in der Praxis notwendigerweise auch gut funktionieren. Wieder einmal hängt es davon ab, wie sie vor Ort umgesetzt werden. Auf einer bestimmten Ebene leuchtet diese Aussage unmittelbar ein und institutionelle Pessimisten werden sofort zustimmen können. Viel seltener wird dagegen erkannt, welche Auswirkung und welche Bedeutung sehr kleine Regeländerungen haben können.
Ein beeindruckendes Beispiel für eine kleine Änderung mit großer Wirkung stammt aus Brasilien. Dort wurde lange nach einem komplizierten Verfahren mit Wahlzetteln aus Papier abgestimmt: Wähler mussten einen Kandidaten aus einer langen Liste auswählen und den Namen des Kandidaten ihrer Wahl (oder seine Kennnummer) auf ihren Wahlzettel schreiben. In einem Land
mit fast 25 Prozent funktionalen Analphabeten bedeutete dies, dass ein großer Teil der Wahlberechtigten faktisch nicht wählen konnte. Bei jeder Wahl waren durchschnittlich 25 Prozent der Stimmen ungültig und wurden nicht gezählt. Ende der neunziger Jahre führte man in Brasilien Wahlmaschinen ein, zunächst nur in den großen Städten, später überall. Auf einer einfachen Benutzeroberfläche kann der Wähler die Nummer seines Kandidaten wählen, anschließend erscheint dessen Foto auf dem Bildschirm, und erst wenn der Wähler das bestätigt, ist die Stimme abgegeben. Ursprünglich sollte diese Reform nur die Stimmauszählung vereinfachen, aber sie hatte unerwartete Folgen: In den Städten, in denen die Wahlmaschinen eingeführt worden waren, sank – verglichen mit ähnlich
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