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Poor Economics

Poor Economics

Titel: Poor Economics Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abhijit Banerjee , Esther Duflo
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Belohnung schienen die Leute gewillt, mit der Impfserie zu beginnen. Das eigentliche Problem war, sie dazu zu bringen, alle Teilimpfungen wahrzunehmen. Deshalb lag der Anteil der kompletten Grundimmunisierungen nur bei 38 Prozent, die Belohnungen reizten die Leute, ein paar Mal öfter zu kommen, aber nicht so sehr, dass sie alle fünf Injektionen abholten, obwohl sie dann ein Pfannenset aus rostfreiem Stahl bekommen hätten.
    Dahinter steckt vermutlich derselbe Grund, der alle Jahre wieder verhindert, dass wir unsere guten Vorsätze für das neue Jahr – zum Beispiel regelmäßig Sport zu treiben, damit wir keinen Herzinfarkt kriegen – umsetzen. Als Erkenntnisse der psychologischen Forschung auf ökonomische Fragestellungen angewandt wurden, zeigte sich, dass wir über die Gegenwart ganz anders denken als über die Zukunft (dieses Phänomen wird als »Zeitinkonsistenz« bezeichnet). 37 In der Gegenwart sind wir impulsiv, lassen uns größtenteils von Emotionen und spontanen Wünschen leiten. Minimale Zeitverluste (etwa das Schlangestehen, um das Kind impfen zu lassen) oder kleinere Unannehmlichkeiten (wie der Pieks in den Po) fühlen sich in dem Augenblick, in dem wir sie aushalten müssen, wesentlich unangenehmer an als dann, wenn wir mit einer gewissen Distanz über sie nachdenken können (denken Sie an ein Weihnachtsessen, das üppig genug war, um jeden Gedanken an sportliche Betätigung völlig auszublenden). Für kleine Belohnungen (Schokolade, eine Zigarette), nach denen uns gerade verlangt, gilt das genaue Gegenteil; wenn wir etwas in die Zukunft planen, sind solche Verlockungen weniger wichtig.

    Wir alle haben den Hang, geringfügige Kosten aufzuschieben, so dass wir sie nicht heute, sondern erst morgen abdienen müssen. Diesem Verhalten werden wir in späteren Kapiteln noch einmal begegnen. Arme Eltern können vom Nutzen einer Impfung absolut überzeugt sein, aber dieser Nutzen wird sich erst in der Zukunft erweisen, während die Kosten heute anstehen. Dummerweise sieht das nicht anders aus, wenn aus morgen heute geworden ist. Mit derselben Begründung lässt sich der Kauf eines Moskitonetzes oder einer Flasche Desinfektionsmittel aufschieben, weil wir mit dem Geld gerade etwas Besseres vorhaben (zum Beispiel eine Portion verführerisch duftender Muscheln im Backteig zu kaufen). So ist leicht nachzuvollziehen, weshalb geringe Kosten vom Gebrauch eines lebensrettenden Gegenstands abhalten oder warum kleine Belohnungen ihn fördern. Die 2 Pfund Dal funktionieren deswegen, weil die Mutter sie am selben Tag erhält. Damit wird sie quasi für die Kosten entschädigt, die ihr entstehen, wenn sie ihr Kind impfen lässt (die Stunden, die sie braucht, um das Kind ins Camp zu bringen oder um das leichte Fieber zu behandeln, das manchmal nach dem Impfen auftritt).
    Wenn diese Erklärung richtig ist, dann scheint es angebracht, sich neu zu überlegen, welche spezifischen Maßnahmen zur Gesundheitsvorsorge und welche finanziellen Anreize eingesetzt werden könnten, die über das klassische ökonomische Argument hinausgehen, dass es für die Gesellschaft als Ganzes sinnvoll ist, Verhaltensweisen zu fördern oder zu verstärken, die auch anderen nutzen. Strafen oder Belohnungen können Menschen dazu bringen, etwas zu tun, das sie selbst zwar für wünschenswert halten, bislang aber immer hintangestellt haben. Anders formuliert: Die Zeitinkonsistenz lehrt uns, dass man es den Leuten so einfach wie möglich machen sollte, das »Richtige« zu tun, wobei man ihnen aber auch erlauben sollte, sich dagegen zu entscheiden. In ihrem Bestseller Nudge. Wie man kluge Entscheidungen anstößt geben Richard Thaler und Cass Sunstein, ein Wirtschafts-und ein Rechtswissenschaftler von der University of Chicago, eine Reihe von Empfehlungen, wie man das erreichen kann. 38 Ein
wichtiger Gedanke ist die Standardlösung: Die Regierung (oder eine wohlmeinende NGO) sollte eine Vorgabe machen, die sie für die beste Lösung hält, so dass man sich, wenn man diese Lösung nicht möchte, aktiv dagegen entscheiden muss. Das heißt, die Menschen haben eine Wahl, aber es kostet sie ein wenig Mühe, die Vorgabe abzulehnen; das wird dazu führen, dass die meisten am Ende bei der Standardlösung bleiben. Kleine Geschenke, wie Dal bei Impfung, sind eine andere Möglichkeit, Menschen »anzustupsen« ( nudge ), ihnen einen Grund zu geben, nach dem Prinzip »Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen« zu handeln.
    Das Schwierigste

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