Poor Economics
Kreditbeauftragten hätten die Kunden gedrängt, sich zu überschulden, und dann übermäßigen Druck auf sie ausgeübt. Die Mikrokreditinstitute wiesen die Anschuldigungen natürlich zurück, aber noch ehe die Sache aufgeklärt war, erließ der Verwaltungschef des Distrikts Krishna eine Verordnung, die eine Rückzahlung der Kredite an Spandana oder Share verbot … Binnen weniger Tage stellten fast alle Kunden in Krishna ihre Zahlungen ein. Zu diesem
Zeitpunkt hatte Spandana im Distrikt Krishna etwa 590 Millionen Rupien (34,5 Millionen PPP-USD) an Darlehen ausstehen, das entsprach 15 Prozent von Spandanas Bruttokreditportfolio im Jahr 2006 in Indien.
Zwar wurden die Vorstände mehrerer Mikrofinanzinstitute bei den Vorgesetzten des Verwaltungschefs vorstellig und erreichten, dass die Verordnung zurückgenommen wurde, aber der Schaden war angerichtet. Die Schuldner zahlen, weil andere zahlen, und wenn sie einmal die Zahlung eingestellt haben, ist es schwer, sie wieder dazu zu bewegen. Nach einem Jahr lagen die Außenstände noch bei 70 Prozent. Die Kreditbeauftragten gingen wieder in die betroffenen Dörfer und boten ihren Kunden neue Kredite an, vorausgesetzt sie zahlten die alten (ohne zusätzliche Zinsen) zurück. Diese Angebote zogen in einigen Dörfern, so dass es inzwischen gelungen ist, die Außenstände um die Hälfte zu reduzieren. Aber der Druck, sich so zu verhalten wie die anderen, ist nicht zu übersehen. 17 In manchen Dörfern zahlen alle. In anderen weigern sich alle, sogar diejenigen, die nur wenige Zahlungen leisten müssten, um wieder einen neuen Kredit zu bekommen. Selbst in der Gruppe derjenigen, die nur noch eine Rate zurückzahlen müssten, um einen neuen Kredit zu erhalten (so dass sie durch die Zahlung von etwa 150 Rupien die Möglichkeit hätten, weitere 8 000 zu bekommen, die sie entweder zurückzahlen oder – durch neuerliche Zahlungsverweigerung – in die Tasche stecken könnten), weigert sich ein Viertel, den ausstehenden Betrag zu begleichen. Diese Schuldner gehören in der Regel zu Gruppen, in denen niemand etwas zurückzahlt.
Die Rückzahlungskrise von Krishna wiederholte sich in den Jahren 2008 und 2009, wenn auch ohne offenkundige politische Beteiligung, in den Bundesstaaten Karnataka bzw. Orissa und führte zum Bankrott von KAS, einem weiteren großen Mikrofinanzinstitut. Alle Schuldner stellten ihre Zahlung an KAS ein, als die Firma insolvent ging und keine neuen Kredite ausgeben konnte. Im Herbst 2010 wiederholte sich in Andhra Pradesh die Krise von 2006, nur in einem noch größeren Maßstab. Wieder
nutzten Politiker die Selbstmorde von Bauern als Vorwand, um gegen die Mikrofinanzinstitute vorzugehen, wieder stellten die Schuldner die Zahlungen ein, und wieder griff die Regierung ein. Dieses Mal standen einige der größten MFIs (SKS, Spandana und Share ) am Rande des Bankrotts. Angesichts solcher Geschehnisse fragt man sich schon, ob die MFIs nicht doch gut daran tun, sich auf ihre Grundüberzeugungen zu konzentrieren; so gesehen, ist es nur konsequent, wenn sie der Zahlungsmoral höchste Priorität einräumen. Konzilianz – selbst wenn jemand damit nur ermutigt werden soll, ein notwendiges Risiko einzugehen – kann zur Auflösung des sozialen Pakts führen, ohne den die Institute die Rückzahlungsraten nicht hoch und die Zinssätze nicht relativ niedrig halten könnten.
Wenn die Mikrofinanzinstitute notgedrungen auf Rückzahlungsdisziplin bestehen müssen, sind sie natürlich nicht die idealen Partner für Unternehmer, denen etwa Größeres vorschwebt als ein Mikrounternehmen. Auf jeden erfolgreichen Unternehmer im Silicon Valley oder anderswo kommen viele, die gescheitert sind. Das Mikrofinanzierungsmodell ist, wie wir gesehen haben, einfach nicht darauf ausgelegt, große Summen in die Hände von Menschen zu legen, die scheitern könnten. Dabei handelt es sich weder um eine Panne noch um einen Denkfehler im Mikrokreditmodell, sondern um eine unumgängliche Nebenwirkung der Regeln, die es ermöglichen, einer großen Zahl von Menschen Geld zu einem niedrigen Zinssatz zu leihen.
Womöglich sind Mikrokredite nicht einmal ein besonders gutes Mittel, um Unternehmer zu entdecken, die sich dann aufmachen und eine große Firma gründen. Die Mikrofinanzinstitute tun alles, um ihre Kunden zu sicherem Verhalten zu erziehen, von daher sind sie nicht die Richtigen, um risikofreudige Menschen aufzuspüren. Selbstverständlich gibt es immer auch Gegenbeispiele, Sie finden sie auf
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