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Poor Economics

Poor Economics

Titel: Poor Economics Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abhijit Banerjee , Esther Duflo
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den Websites aller MFIs, die Geschichten von Einzelhandelsketten, die aus kleinen Lädchen hervorgegangenen sind, aber sie sind äußerst dünn gesät. Die Darlehen, die Spandana gewährt, bewegen sich zwischen 7 000 Rupien (320 PPP-USD)
beim ersten Mal und 10 000 Rupien (460 PPP-USD) nach drei Jahren, Kredite über 15 000 Rupien (686 PPP-USD) haben Seltenheitswert. Auch bei der Grameen Bank sind die meisten Kredite – nach 30 Jahren am Markt – immer noch sehr klein.
    Wie können größere Firmen finanziert werden?
    Aber vielleicht spielt es keine Rolle, dass das Mikrofinanzwesen nicht darauf ausgelegt ist, größere Darlehenswünsche zu erfüllen. Wie wir gesehen haben, sind die Kreditbedingungen für die ärmsten Kreditnehmer üblicherweise viel strenger als für die, die etwas mehr besitzen. Möglicherweise handelt es sich ja um einen natürlichen Wachstumsprozess: Das erste Geld leiht man sich bei einem Mikrokreditinstitut, und wenn das Geschäft blüht, wechselt man zu einer Bank.
    Leider hat es nicht den Anschein, als ob bereits etablierte Geschäftsleute leichter an Kredite kämen. Das gilt insbesondere, wenn sie für traditionelle Geldverleiher und Mikrofinanzinstitute zu groß und für reguläre Banken zu klein sind. Die folgende Geschichte ereignete sich im Sommer 2010 in der chinesischen Stadt Hangzhou. Miao Lei war ein wohlhabender Geschäftsmann, er hatte ein Ingenieursstudium absolviert und verdiente sein Geld damit, bei Firmen in der Region Computersysteme einzurichten. Sein Problem war, dass er immer zuerst Hardware und Software kaufen musste und das Geld dafür erst nach der Einrichtung der Systeme bekam. Niemand gab ihm einen Kredit. Einmal erhielt er die Möglichkeit, für einen besonders lukrativen Auftrag ein Gebot abzugeben, aber ihm war klar, dass er dafür vorab mehr Geld brauchen würde, als er flüssig hatte. Doch die Versuchung war zu groß, und er gab sein Angebot ab. Miao erinnert sich noch gut an den Tag, nachdem seine Firma die Ausschreibung gewonnen hatte: Er rannte von Pontius zu Pilatus, um das Geld aufzutreiben, aber es war nichts zu machen. Den Auftrag platzen zu lassen hätte das Ende seiner Karriere bedeutet.
In seiner Verzweiflung beschloss er, ein noch riskanteres Spiel zu wagen. Es gab noch eine weitere Ausschreibung, von einem Staatsbetrieb, und er wusste, wenn er diese Ausschreibung gewann, würde er einen Vorschuss erhalten, mit dem er den anderen Auftrag vorfinanzieren konnte. Und das Geld, das er mit dem ersten Auftrag verdiente, würde – hoffentlich – reichen, um den zweiten vorzufinanzieren. Das Angebot, das er abgab, war mehr als knapp kalkuliert, aber er wollte lieber etwas Geld verlieren und dafür die Ausschreibung gewinnen. Den Abend, an dem er darauf wartete zu erfahren, ob sein Angebot angenommen wurde oder nicht, wird er nicht vergessen. Er hatte seine Angestellten früh nach Hause geschickt und ging stundenlang in seinem Büro auf und ab. Am Ende gewann er die Ausschreibung, und alles lief glatt. Das Geld begann zu fließen, und als seine Einkünfte 20 Millionen Yuan überschritten hatten, klopften die Banker unaufgefordert mit Kreditangeboten an seine Tür. Als wir mit ihm sprachen, leitete er vier verschiedene Unternehmen.
    Miao Lei hatte einen Universitätsabschluss und ein vernünftiges Geschäftsmodell, trotzdem musste er ein unglaublich hohes Risiko eingehen, um zu überleben. Narayan Murthy und Nandan Nilekani sind Absolventen des renommierten Indian Institute of Technology, aber sie bekamen kein Darlehen zur Gründung ihrer Firma Infosys, weil der Bankangestellte beanstandete, sie könnten kein Inventar als Sicherheit anbieten. Heute gehört Infosys zu den größten Softwarekonzernen der Welt.
    Waren diese drei Ausnahmen? Man darf wohl eher annehmen, dass es noch sehr viel mehr Menschen wie sie gibt, die es nur deshalb nicht geschafft haben, weil sie nicht die richtige Finanzierung zur richtigen Zeit bekamen.
    Sogar solche Unternehmen, denen der Start gelingt, die überleben und zu einer gewissen Größe heranwachsen, haben offenbar weiter unter eingeschränktem Zugang zu Kapital zu leiden. Die südindische Stadt Tiruppur ist Indiens T-Shirt-Hauptstadt (70 Prozent aller in Indien gefertigten Strickwaren werden hier produziert). Die Firmen in der Region genießen weltweit einen
guten Ruf: Einkäufer aus aller Herren Länder kommen hierher, um Großaufträge für ihre Kollektionen zu vergeben. Klar, dass die Stadt talentierte

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