Poor Economics
(wie Padmaja vorhergesagt hatte), dass die Menschen nun eine klarere Vorstellung hatten, was und wohin sie wollten.
Andererseits gab es keine Anzeichen für eine radikale Veränderung. Wir fanden keine Hinweise darauf, dass sich Frauen deutlich gestärkt gefühlt hätten, zumindest war es nicht messbar. Sie hatten zum Beispiel nicht mehr Einfluss darauf, wie das Geld innerhalb der Familie ausgegeben wurde. Die Ausgaben für Bildung oder Erziehung änderten sich nicht, ebenso wenig die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder auf Privatschulen angemeldet wurden. Und selbst wenn es zu einer merklichen Veränderung gekommen war, wie etwa in den Fällen, in denen jemand ein Geschäft eröffnet hatte, waren die Auswirkungen nicht dramatisch. In fünfzehn Monaten stieg der Anteil von Familien, die ein Geschäft eröffneten, von knapp 5 Prozent auf etwas mehr als 7 Prozent. Das ist nicht nichts, aber auch alles andere als revolutionär.
Als Wirtschaftswissenschaftler waren wir ganz zufrieden mit diesen Ergebnissen: Das Hauptziel der Mikrokredite schien erreicht worden zu sein. Sie hatten keine Wunderdinge vollbracht, aber sie funktionierten. Jetzt brauchte man weitere Studien, um sicherzustellen, dass es sich nicht um einen Zufallstreffer gehandelt hatte, und natürlich war es auch wichtig, die langfristige Entwicklung zu beobachten, aber so weit, so gut. Für uns haben Mikrokredite
ihren Platz unter den Schlüsselinstrumenten im Kampf gegen die Armut redlich verdient.
Interessanterweise wurden die zentralen Ergebnisse in den Medien und in der Blogosphäre ganz anders interpretiert. Dort wurden vor allem die negativen Befunde zitiert und als Beweise dafür angeführt, dass Mikrokredite nicht hielten, was man sich von ihnen versprochen hatte. Einige Mikrofinanzinstitute akzeptierten die Ergebnisse, wie sie waren (allen voran Padmaja Reddy, die sagte, das sei genau das, was sie erwartet hatte, und die auch gleich neue Studien finanzierte, in denen die langfristigen Auswirkungen untersucht werden sollen), während die großen internationalen Mitspieler in die Offensive gingen.
Kurz nachdem die Ergebnisse unserer Studie öffentlich gemacht worden waren, hielten Vertreter der sechs größten Mikrofinanzinstitute weltweit ( Unitus, ACCION International, Foundation for International Community Assistance [FINCA], Grameen Foundation, Opportunity International und Women’s World Banking ) in Washington eine Konferenz ab. Wir wurden dazu eingeladen, und unser Kollege Iqbal Dhaliwal ging hin in der Annahme, man würde sich darüber unterhalten, was die Ergebnisse bedeuten. Doch es stellte sich heraus, dass die »Big Six« nur wissen wollten, wann mit den Ergebnissen der anderen Studien zu diesem Thema zu rechnen sei, damit sie ein »Spezialeinsatzkommando« zusammenstellen konnten, das darauf reagieren würde (offensichtlich waren sie davon überzeugt, dass alle Studien negative Ergebnisse bringen würden). Ein paar Wochen später startete das Spezialeinsatzkommando seinen ersten Versuch zur Schadensbegrenzung. Die MFIs reagierten mit sechs Anekdoten von erfolgreichen Kreditnehmern auf unsere Studie und eine weitere von Dean Karlan und Jonathan Zinman, deren Ergebnisse sogar noch mäßiger ausgefallen waren. 13 Es folgte ein Kommentar von Brigit Helms, damals Geschäftsführerin von Unitus, in der Seattle Times, in dem sie sagte: »Diese Studien hinterlassen den falschen Eindruck, dass der verbesserte Zugang zu grundlegenden Finanzdienstleistungen nichts bringt.« 14 Diese
Aussage war einigermaßen überraschend, da unsere Ergebnisse doch ganz im Gegenteil zeigen, dass Mikrokredite nützliche Finanzprodukte sind. Doch das ist anscheinend nicht genug. Nachdem sie jahrzehntelang den Mund zu voll genommen hatten, ziehen es viele der führenden Mitspieler in der Welt der Mikrofinanzdienste nun offensichtlich vor, sich aufs Dementieren zu verlegen, statt Bilanz zu ziehen, sich neu zu sortieren und zuzugeben, dass Mikrokredite nur eine von mehreren Waffen im Kampf gegen die Armut sind.
Zum Glück verhält sich der Rest der Mikrofinanzwelt anders. Auf einer Konferenz in New York im Herbst 2010, auf der ganz ähnliche Ergebnisse präsentiert wurden, waren sich die Teilnehmer einig, dass Mikrokredite ihre Stärken und ihre Schwächen haben, und dass es nun darum gehen müsse, herauszufinden, wie Mikrofinanzdienstleister ihre Angebote noch weiter verbessern können.
Die Grenzen der Mikrokredite
Warum hatten die Mikrokredite keine
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