Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
PopCo

PopCo

Titel: PopCo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
Vom Netzwerk:
Online-Spiel einloggt, EverQuest oder was auch immer, und seinem Avatar dann kleine
     Marken-Sneakers oder T-Shirts kaufen kann. Hast du schon mal EverQuest gespielt?»
    Ich schüttele den Kopf. «Nein.»
    «Ach so. Hm. Also, EverQuest spielt in einer Welt namens Norrath. Das ganze Ding ist gelinde gesagt riesig. Das Bruttoinlandsprodukt
     von Norrath liegt pro Kopf höher als das von China oder Indien, das Bruttosozialprodukt bewegt sich irgendwo zwischen Russland
     und Bulgarien, und die Währung ist in U S-Dollar inzwischen mehr wert als der Yen oder die italienische Lira   …»
    «Im Ernst? Und das ist also eine virtuelle Welt?»
    «Klar. Von Sony. Irgendwer hat mal ausgerechnet, dass es für jemanden, der in Bulgarien lebt, die ökonomisch sicherste Option
     wäre, seinen Job aufzugeben und den ganzen Tag nur EverQuest zu spielen. Auf lange Sicht macht man da viel mehr Kohle.» Noch
     ein Schluck aus der Bierflasche.
    Ich runzele die Stirn. «Wie soll man denn Geld damit verdienen, ein Online-Spiel zu machen?»
    «Die Leute verkaufen ihre Avatare bei Online-Auktionen.Oder sie tauschen die Norrath-Währung,
Platinum Piece
, auf Auktionsseiten in Britische Pfund oder Dollar um. Als Durchschnittsmensch verdient man etwa drei U S-Dollar fünfzig in der Stunde, wenn man bei EverQuest arbeitet und beispielsweise Avatare züchtet und weiterverkauft. Du würdest
     dich wundern, was Wohlstandskinder oder diese voll abhängigen Managertypen für eine individualisierte Figur oder für
Platinum Pieces
zu zahlen bereit sind, damit sie die ganzen richtig schwierigen Spielphasen überspringen können. Die haben im richtigen Leben
     das nötige Geld, um sich Macht in der virtuellen Welt zu erkaufen. Jetzt stell dir mal vor, was solche Leute für ein Paar
     Nikes für ihren Avatar hinblättern würden oder für einen Porsche, mit dem er dann durch die Gegend brettern kann. Avatare
     sollen zwar eigentlich immer zu Fuß gehen, das ist so eine Konvention bei Rollenspielen, aber hey, was wäre, wenn sich so
     eine Figur jetzt einen Wagen kaufen könnte? Das wäre doch endgeil.»
    «Vielleicht verkaufen sich Pferde ja besser», sage ich zögernd. Ben kommt gerade mit neuem Bier aus der Küche und reicht mir
     eine Flasche. «Aber ist das alles auch wirklich real?», frage ich Kieran. «Ist es tatsächlich wahr?»
    «Wahr schon. Aber real? Sicher nicht. Nichts von dem ganzen Kram ist real. Das ist ja gerade der Witz dran.»
    «Wusstest du das?», frage ich Ben. «Dass man virtuelle Markenprodukte in virtuellen Welten verkaufen kann und so   …?»
    «Sicher. Kieran sitzt ja bei uns in Berkshire und versucht ständig, uns zu überreden, den Figuren aus der
Sphärenwelt
virtuelle K-Klamotten anzuziehen.»
    «Das wär echt der Knaller», sagt Kieran. «Und das weißt du auch ganz genau. Ist ja auch noch nicht zu spät   …»
    «Es ist sowieso nicht meine Entscheidung. Aber ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass es funktionieren würde. Videospielerstehen nicht so drauf, sich Marken wie K aufzwingen zu lassen. Und wir wollen doch schließlich nicht, dass sie uns für opportunistische
     Arschlöcher halten.»
    «Du bist so zynisch. Einfach viel zu zynisch», sagt Kieran kopfschüttelnd. «Ich sehe Zuni schon in so einem hautengen Ursula-Hemdchen,
     wo oben die Brüste rausquellen. Geil!»
    «Zuni ist ungefähr zwölf», sagt Ben.
    «Geil, geil, geil!» Kieran grinst nur noch irrer und verschwindet in Richtung Küche.
    Grace und Hiro spielen offenbar immer noch.
    «Seltsamer Typ», sage ich zu Ben.
    «Kieran? Das kannst du laut sagen. Sein ganzes Team ist so. Aber sie verbringen auch die meiste Zeit in diesen Online-Welten.
     Keine Ahnung, wie er es überhaupt aushält, hier so lange offline zu sein.»
    «Vielleicht hat er ja einen Rechner eingeschmuggelt», sage ich.
    Esther stellt sich zu uns, einen Becher Kaffee ohne Milch in der Hand.
    «Dir ist ja wohl klar, dass Kieran und sein Team dabei sind, den geistlosesten Beruf aller Zeiten zu entwickeln», sagt Ben.
    «Und der wäre?» Ich stelle meine leere Bierflasche auf den Tisch.
    «Virtuelle Verkäufer, die diese Produkte in der virtuellen Welt verscherbeln. Und zwar keine automatisierten, sondern echte
     Menschen, die sich einloggen, den ganzen Tag in ihrem Online-Geschäft herumhängen und Markenartikel verkaufen müssen.»
    «Wieso kann man das denn nicht automatisieren?»
    «Weil echte Menschen billiger sind.»
    Die Leute, die dem Spielbrett am nächsten stehen, stöhnen auf.

Weitere Kostenlose Bücher