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PopCo

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Titel: PopCo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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Arbeit?»
    «Weil ihm das alles zu viel Spaß macht. Heidnische Symbole, Hexenkunst, alte Geschichten – davon gibt es hier im Dartmoor
     einfach mehr als in Reading. Für Samstag sind wir übrigens zu so einem komischen Natur-Event mit seiner Clique eingeladen,
     falls du Lust hast.»
    Wir
. Das hört sich ja schrecklich nach Pärchen an.
    «Wir?», frage ich.
    «Also, eigentlich ich», sagt Ben. «Aber ich habe ihn gefragt, ob ich dich mitbringen kann.»
    «Was genau heißt denn ‹komisch› in dem Zusammenhang?»
    «Das weiß ich auch nicht so genau. Bestenfalls müssen wir einfach Bäume umarmen. Und schlimmstenfalls irgendwas heraufbeschwören.»
    «Na, dann bin ich dabei», sage ich lachend. «Das hört sich doch an, als dürfte man es sich nicht entgehen lassen.»
    «Was darf man sich nicht entgehen lassen?», fragt Dan.
    «Kierans komischen Naturtrip», antwortet Ben. «Du solltest auch mitkommen.»
    «Vielleicht finden wir ja noch ein paar Bergfestungen», sage ich.
    «Cool.»
    Während wir uns unterhalten, wälze ich im Hinterkopf immer noch die Frage, wie ich meinem Brieffreund antworten soll, wie
     Zement in einer Betonmischmaschine. Und dann, plötzlich   …
    «Wo willst du denn hin?», fragt mich Dan, als ich aufspringe.
    «Ich bin gleich wieder da», sage ich.
    «Du kommst zu spät», ruft er mir warnend nach.
    «Nein, nein, dauert wirklich nur eine Minute», rufe ich zurück. Ich lege keinen Wert darauf, zu spät zum Workshop zu kommen,
     aber das hier ist auch wichtig oder fühlt sich zumindest so an, was letztlich auf dasselbe hinausläuft. Im Gehen sehe ich,
     wie Ben mich mit hochgezogenen Brauen ansieht. Ich schüttele fast unmerklich den Kopf und versuche, ihm telepathisch die Botschaft
Wir sehen uns später
zu übermitteln.
     
    Mein Zimmer wirkt staubig, die Morgensonne bescheint Abermillionen winziger dunkler Teilchen, die durch die Luft tanzen oder
     faul auf dem Schreibtisch herumlungern. Welches Buch? Welches? Weil ich nicht noch mehr Zeit verlieren will, nehme ich einfach
     den Teenieroman über das junge Mädchen mit dem Pferd. Ich scanne die erste Seite, auf der Suche nach dem Wort
use
, werde aber nicht fündig. Dann überfliege ich die zweite Seite. Ha. Da ist es, gleich im zweiten Absatz. Eine Nachbarin erklärt
     der Hauptfigur, sie solle sich in Acht nehmen, wenn sie nach Einbruch der Dunkelheit über den Steinpfad gehe, «when you
use
the stony path after dark»; dort trieben sich oft unheimliche Gestalten herum. Es ist das 197.   Wort auf der Seite. Ich schreibe 2, 197 auf ein Blatt Papier und notiere dann 2, 243 darunter, was zu dem Wörtchen
this
führt. So.
Use this
. Wenn der richtige Adressat den Code knackt (was ja nicht weiter schwierig sein dürfte), weiß er damit alles, was er wissen
     muss. Und falls das Buch jemand Drittem in die Hände fällt und der den Code knackt, wird er mit dieser knappen Botschaft kaum
     etwas anfangen können. Mit dem guten Gefühl, die richtige Antwort gefunden zu haben, falte ich das Blatt, lege es in das Buch
     und verlasse mein Zimmer. Ich bin bereits fünf Minuten zu spät.
    Bleibt nur noch ein Problem   … Wo soll ich das Buch deponieren? Ich halte es unter den Arm geklemmt, während ich die Stufen zum Hauptteil des Hauses hinuntereile,
     und denke so angestrengt darüber nach, was ich damit machen soll, dass ich Hiro gar nicht bemerke, der mir entgegenkommt.
     Wir prallen fast zusammen.
    «Hoppla.» Ich lächele ihn an. «Tut mir leid.»
    Er schaut leicht verlegen drein. «Hast du vielleicht etwas für mich?», fragt er.
    «Wie bitte?»
    Er verzieht das Gesicht. «Das ist mir ziemlich unangenehm, aber ich soll dich einfach fragen, ob du etwas für mich hast. Keine
     Ahnung. Vielleicht ist das ja eine Botschaft, eine geheime Nachricht oder so was. Aber ich weiß selber auch nicht mehr als
     das.»
    «Wer hat dich denn geschickt   …?»
    «Kann ich dir nicht sagen. Ich bin nur der Bote. Ehrlich.»
    «Oh. Na, vielleicht meint dein Auftraggeber ja das hier?» Ich halte ihm das Buch hin, und er nimmt es, ohne es sich näher
     anzuschauen.
    «Danke», sagt er, dann dreht er sich um und geht. Ich schaue ihm nach und rechne fast damit, dass er sich gleich in Luft auflösen,
     in wildes Gekicher ausbrechen oder unvermittelt in Flammen aufgehen wird. Aber natürlich geschieht nichts dergleichen: Hiro
     geht einfach nur davon, als hätte er ein ganznormales Ziel. Schließlich wende auch ich mich ab und gehe weiter in die Richtung, in die

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