PopCo
sollte Stanley Milgrams These von den
Six Degrees of Separation
beweisen, die davon ausgeht, dass jeder Mensch auf der ganzen Welt über sechs oder sogar weniger Schritte mit jedem anderen
Menschen in Verbindung gebracht werden kann. In einem in sich geschlossenen Netzwerk wie der Filmbranche liegt die Zahl meist
erheblich niedriger …»
Blackman muss sich das Lachen verbeißen und sieht Mac an. «Eigentlich hätten Sie sich mein Honorar auch sparen und stattdessen
den jungen Mann hier bezahlen können.»
Mac lächelt. «Kierans gedankliche Leistungen sind enorm», sagt er. «Aber machen Sie ruhig weiter. Das ist alles äußerst faszinierend.»
«Wie Sie vermutlich alle schon erraten haben, ist die Erdös-Zahl im Grunde nichts anderes als die Kevin-Bacon-Zahl, nur dass
sie sich eben auf ein Netzwerk aus Mathematikern bezieht, nicht auf eines aus Filmschauspielern. Die Wissenschaft hat herausgefunden,
dass solche Netzwerke die gleichen Strukturen und Eigenschaften aufweisen, ganz egal, woraus beziehungsweise aus wem sie genau
bestehen. Wir nennenes das ‹Kleine-Welt-Phänomen›. Interessant wird die Sache dann, wenn wir uns einmal Gedanken darüber machen, wie Krankheiten,
Produkte oder Ideen solche Netzwerke infizieren können.
Ein Kleine-Welt-Netzwerk lässt sich als Gruppierung definieren, die so weit miteinander verschaltet ist, dass jeder ‹Knoten›
innerhalb des Netzwerks von jedem anderen in maximal sechs Schritten erreicht werden kann. Ihr eigenes Unternehmen, PopCo,
weist zweifellos ebenfalls Eigenschaften eines solchen Kleine-Welt-Netzwerks auf. Vielleicht kann man das sogar auf die gesamte
Spielzeugbranche ausdehnen. Ähnliche Netzwerke finden wir beispielsweise innerhalb des amerikanischen Stromnetzes oder im
Nervensystem des Fadenwurms C. elegans, außerdem innerhalb des World Wide Web, im Stoffwechselsystem der E.-Coli-Bakterien
und zwischen den Vorständen der umsatzstärksten amerikanischen Unternehmen. Phänomene wie Kevin-Bacon- und vor allem auch
Erdös-Zahlen entstehen dann, wenn die Gruppe sich über ihre interne Vernetzung im Klaren ist. Noch eine Fußnote für die unter
Ihnen, die den Namen nicht kennen: Erdös war ein höchst berühmter Mathematiker, der unter anderem ein Modell für Zufallsgraphen
entwickelt hat – das seinerseits wiederum die Grundlage für einen Großteil der mathematischen Arbeit in unserem Forschungsgebiet
bildet.
Kleine-Welt-Netzwerke brauchen gewisse ‹Ballungen› – eine Clique von Freunden in derselben Stadt zum Beispiel oder die Mitarbeiter
einer bestimmten Abteilung – und außerdem ‹Zufallsverbindungen›: Sie und Ihr am weitesten entfernt lebender Freund, Sie und
der Mensch aus der Buchhaltung, mit dem Sie immer draußen im Regen vor dem Bürohaus stehen und rauchen. Diese Zufallsverbindungen
sind wie Abkürzungen innerhalb des Netzwerks. Im PopCo-Netzwerk ist Mr. MacDonald ein entscheidender Knotenpunkt, weil unwahrscheinlich vieleMenschen mit ihm in Verbindung stehen. So gesehen könnte man ihn mit einem großen Flughafen vergleichen, der zahllose kleinere
Orte miteinander verbindet. Im richtigen Leben kennen Sie vielleicht niemanden, der in Australien lebt, aber ich habe Freunde
dort. Wenn Sie also mich kennen, sind Sie nur noch zwei Schritte von meinen Freunden in Australien entfernt. Erstaunlich an
diesen Forschungsergebnissen ist vor allem, dass offenbar schon wenige solcher Zufallsverbindungen ausreichen, um ein beliebiges
Netzwerk so zu verschalten, dass es plötzlich Eigenschaften eines Kleine-Welt-Netzwerks aufweist. Und dieser Prozess vollzieht
sich nicht nur fast wie von selbst in allen möglichen Netzwerken – auch der Punkt, an dem eine solche Verschaltung eintritt,
kommt uns durchaus bekannt vor: Mathematisch gesehen ist er identisch mit dem Moment, in dem ein Polymer entsteht oder Wasser
zu Eis gefriert. Er ist eine Phasentransformation. Ein Naturphänomen.»
Mark Blackman macht eine effektvolle Pause und dreht sich dann zur Tafel. Die nächsten zehn Minuten verbringt er damit, uns
Beispiele für seine Ausführungen aufzuzeichnen. Ich muss dabei die ganze Zeit an Spinnennetze denken. Als ich merke, dass
ich langsam abdrifte, hole ich mich aktiv zurück und schaue wieder auf die Tafel. Ich finde den Gedanken höchst spannend,
dass sich ein ganz natürliches Ereignis – der Punkt, an dem ein Ding in etwas anderes übergeht, Wasser zu Eis oder zu Dampf
wird – in
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