PopCo
als ich ihm sagte, dass das der Grund oder zumindest einer
der Gründe sei, warum ich den Schatz nicht heben will, hat er es einfach als weiteren Hinweis betrachtet. Er hat sämtliche
Vogelschutzgebiete in den in Frage kommenden Abschnitten des Atlantik- und Pazifikraums aufgelistet und herauszufinden versucht,
welches es sein muss. Ich muss zugeben, da bin ich dann doch etwas aus der Haut gefahren.»
«Er hatte kein Geld, Peter», sagt meine Großmutter. «Man muss auch seine Haltung verstehen.»
«Er kam über die Runden. Und er war arbeitsfähig. Er brauchte diesen Schatz nicht zum Überleben. Er wollte ihn, weil er reich
sein wollte. Es tut mir leid, Alice. Dein Vater warin vieler Hinsicht ein guter Mann, aber in diesem Punkt lag er falsch. Wir Menschen müssen die Natur respektieren. Was bleibt
denn sonst übrig? Eine Gesellschaft aus gierigen, glücklosen Menschen und eine Welt, in der lauter Tierarten ausgestorben
sind.»
«Dann weiß also niemand, dass du das Rätsel gelöst hast?», frage ich. Die neuen Informationen über meinen Vater packe ich
erst einmal beiseite, um mich später damit auseinanderzusetzen.
«Nein», sagt mein Großvater.
«Ihm ging es im Grunde nur um die intellektuelle Herausforderung», sagt meine Großmutter. «Er wollte als derjenige bekannt
werden, der die schwierigste Schatzkarte der jüngeren Geschichte entschlüsselt hat. Aber das ist natürlich unmöglich. Denn
wenn bekannt würde, dass er eine Schatzkarte besitzt, die er selbst nicht benutzen will, könnte er … könnten wir uns nicht mehr retten vor Leuten, die sie durchaus benutzen wollten.»
«So wie die Männer von der Bushaltestelle?»
«Ganz genau.»
«Und sie wussten davon, weil mein Vater es ihnen erzählt hat?»
«Ja.»
Meine Großeltern fangen an, in der Küche herumzuwerkeln und das Mittagessen vorzubereiten, und ich bleibe am Tisch sitzen
und fühle mich klein und erschöpft. Ich bin wütend auf meinen Vater, und diese Wut ist viel größer als ich. Er ist schuld,
dass diese Männer mich gestern belästigt haben. Wie kann er nur so blöd gewesen sein? Und wie konnte er dann auch noch zu
so einer blödsinnigen, gefährlichen, unglückseligen Schatzsuche aufbrechen? Und mich hier zurücklassen? Wie konnte er das
tun? Meine Gedanken werden zu einem wirren Karussell, und beim Mittagessen bringe ich kaumeinen Bissen herunter. Ich weiß nicht so recht, ob ich die Sache mit dem Vogelschutzgebiet verstehe. Ich denke schon, aber
wenn ich die Wahl hätte, würde ich trotzdem den Schatz nehmen. Den Vögeln würde das bestimmt nichts ausmachen. Andererseits
gefällt es mir aber auch wieder, dass mein Großvater so standhaft und verlässlich ist. Er würde nie einfach aus einer Laune
heraus verschwinden und mich allein lassen. Das fände er falsch. Und dann meine Großmutter. Weiß sie auch, wo der Schatz ist?
Sie muss es doch wissen. Ich wünsche wünsche wünsche, ich wüsste es auch. Nach dem Essen soll ich mich etwas hinlegen und
nehme das Büchlein mit, um allein im Bett darin zu schmökern. Ich werde herausfinden, wo Francis Stevenson seinen Schatz vergraben
hat, und sei es nur, um meinem Großvater zu beweisen, dass ich das kann. Mein Medaillon ist der Schlüssel dazu. Das hat er
mir selbst gesagt. Mein Medaillon ist ein Schlüssel, und den Code habe ich vor mir. Ich muss es einfach schaffen. Über solchen
Gedanken schlafe ich ein, das kleine Buch aufgeschlagen auf dem Boden neben meinem Bett.
KAPITEL NEUNZEHN
D er weiße Umschlag liegt noch genauso auf dem Schreibtisch, wie ich ihn hingelegt habe. Ich habe mir eine Flasche Bier aus
der Küche mitgebracht; die öffne ich jetzt und trinke ein paar Schlucke davon, ehe ich mich dem Umschlag zuwende. Inzwischen
macht es mir kaum noch Angst, dass jemand versucht, mich mit Codebotschaften zu kontaktieren. Es scheint ja nichts weiter
Schlimmes nach sich zu ziehen. Zumindest bisher noch nicht.
Diesmal kostet es mich keine fünf Minuten, die Nachricht zu entschlüsseln, denn sie verwendet genau denselben Schlüssel wie
die vorherigen.
Need help to send longer message
, steht darin.
Very important
. Wie bitte? Du brauchst Hilfe, um mir eine längere Nachricht zukommen zu lassen? Na, phantastisch. Klar kann ich dir dabei
helfen, aber wer zum Teufel bist du?! Du sagst mir ja nicht mal, wie ich dich erreichen kann! Mir fällt auf, dass ich meine
Gedanken laut ausspreche, und ich unterbreche mich und trinke lieber
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