PopCo
ich ohnehin wollte.
Dann hat Hiro also mit dieser geheimnisvollen Geschichte zu tun. Wohin er wohl wollte, als wir gerade fast zusammengestoßen
sind? Zu mir? Wollte er etwa in mein Zimmer einbrechen und nachsehen, ob ich dort eine Antwort hinterlegt habe? Wieder ertappe
ich mich bei dem Gedanken, dass es hoffentlich nicht nur ein blödes, vom PopCo-Vorstand gefördertes Spielchen ist. Oder vielleicht
hoffe ich ja sogar, dass es ein dummes Spielchen ist; wenn ich genauer darüber nachdenke, finde ich die Vorstellung, es könnte
etwas anderes sein, nämlich auch nicht gerade erquicklich. Als ich mich dem Seminarraum nähere, merke ich, wie müde ich bin,
und bereue, am Morgen nicht doch noch ein Stündchen ins Bett gegangen zu sein. Kein einziges Molekül in meinem Körper hat
Lust auf dieses Seminar, aber wenn ich schwänze, kriege ich mit Sicherheit Riesenärger. Mit einem schweren Seufzer nähere
ich mich der Tür, öffne sie leise und versuche, mich möglichst unauffällig auf den Platz zu schleichen, den Esther mir freigehalten
hat.
«Schön, dass du uns auch die Ehre gibst, Alice», sagt Mac, der vorne steht. Das ist ja wirklich wie in der Schule.
Neben Mac sitzt ein Mann, der wohl Mark Blackman heißen dürfte. Dieser Name steht zumindest hinter ihm an der Tafel. Er ist
älter als unsere bisherigen Dozenten, hat das graue Haar zurückgekämmt und trägt eine schwarze Brille. Außerdem ist er recht
exzentrisch gekleidet: Tweedsakko, gelbe Krawatte und Jeans.
«Guten Morgen», sagt er jetzt und steht auf. «Nachdem Mr. MacDonald mich schon so wunderbar eingeführt hat, werde ich mich jetzt nicht noch einmal selber vorstellen. Ich möchte nur
noch hinzufügen, dass ich eine Erdös-Zahl von 3 habe. Weiß jemand von Ihnen zufällig, wer Paul Erdös war?» Er spricht den
Namen ganz korrekt aus:
Er-dösch
.
Ich melde mich. «Ein ungarischer Mathematiker», sage ich, als er mir zunickt.
«Vielen Dank. Und was bedeutet meine Erdös-Zahl?»
«Dass Sie zusammen mit jemandem einen Aufsatz veröffentlicht haben, der einen Aufsatz mit jemandem geschrieben hat, der seinerseits
einen Aufsatz mit Paul Erdös veröffentlicht hat», antworte ich.
«Sehr gut. Haben Sie etwas mit Mathematik zu tun?»
Ich höre Dan hinter mir aufstöhnen.
«Meine Großmutter war Mathematikerin», sage ich. «Sie hatte eine Erdös-Zahl von 2.»
«Hey!» Das scheint ihn zu beeindrucken. «Versteht sonst noch jemand, wovon wir hier reden?»
Ich schaue mich um. Kieran hat die Hand gehoben, außerdem noch Grace, Richard und die blonde Frau, die ich schon öfter mit
Kieran gesehen habe und die entweder zum Videospieleteam oder zu Kierans seltsamer Clique gehören muss.
«Gut, danke», sagt Blackman. «Sie können die Hände jetzt wieder runternehmen. Also. Es geht hier um Netzwerke. Und falls Sie
tatsächlich vorhaben, wie Mr. MacDonald mir glaubhaft versichert, mit Hilfe eines vermutlich völlig sinnlosen Plastikprodukts die Welt zu erobern, müssen
Sie sich auch mit Netzwerktheorien auseinandersetzen. Sie müssen begreifen, wie es möglich ist, dass Ihr Spielzeug – von mir
aus auch Ihre Krankheit oder Ihre Idee, das funktioniert alles nach demselben Muster – heute noch eher unbekannt ist, um sich
dann plötzlich, über Nacht, überall zu verbreiten. Oder eben nicht. Gut. Vergessen wir Erdös mal für einen Augenblick. Wer
von Ihnen kennt den Filmschauspieler Kevin Bacon?» Fast alle heben die Hand. «Gut. Sie, junger Mann, mit der langen Mähne
und der merkwürdigen Haarfarbe.»
Kieran hebt den Kopf. «Meinen Sie mich?», fragt er grinsend.
«Erklären Sie uns das Spiel
Six Degrees of Kevin Bacon
.»
Kieran beginnt mit gelangweilter Stimme zu referieren. «
Six Degrees of Kevin Bacon
, auch bekannt als
Kevin-Bacon-Spiel,
tauchte, soviel ich weiß, erstmals 1997 auf. Es wurde ursprünglich von einer amerikanischen Studentenverbindung lanciert und
fußt auf der These, dass Kevin Bacon eigentlich das Zentrum der Filmindustrie sein muss, weil es nämlich möglich ist, jeden
Schauspieler der Filmgeschichte über durchschnittlich weniger als vier Schritte mit ihm in Verbindung zu bringen. Das Ganze
funktioniert folgendermaßen: Wenn man mit Kevin Bacon in einem Film gespielt hat, hat man eine Bacon-Zahl von 1. Wenn man mit jemandem in einem Film spielt, der seinerseits in einem anderen Film zusammen mit Bacon gespielt hat, hat man
eine Bacon-Zahl von2 und immer so weiter. Das Ganze
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