PopCo
abnehmen, ihr Netzwerk zu nutzen. Bauen Sie irgendetwas in Ihr
Produkt ein, das sich selbst verbreiten will. Epidemien funktionieren so. Sie hatten vielleicht noch nie persönlich Kontakt
mit der Frau aus dem vierzehnten Stock Ihres Bürohauses, aber trotzdem geben Sie Bakterien an sie weiter. Wir nennen das ‹unbewusste›
oder ‹automatische› Verbreitung, und ich glaube, jede Marketingabteilung würde zu gern alle Produkte ihrer jeweiligen Firma
damit ausstatten. Und warum auch nicht? Die automatische Verbreitung würde ihnen schließlich sämtliche Arbeit abnehmen, den
faulen Säcken!
Denken Sie nur an Hotmail. Jede Nachricht, die Sie über Hotmail versenden, enthält eine Werbung für den Provider. Die Nachricht
ist die Werbung. Das Produkt verbreitet sich selbst. Oder nehmen Sie den MSN Messenger, der hier vielleicht besser passt,
weil ihn Teenager in aller Welt verwenden – oder zumindest mein Sohn, der mich abends oft gar nicht mehr an meinen eigenen
Rechner lässt. Um über MSN mit anderen reden zu können, muss man die nötige Software haben. Die Software vermarktet sich also
selbst!
Mathematische Netzwerktheorien befassen sich allesamt auch mit Krankheitsepidemien, mit Phänomenen wie Massenpanik oder dem
Zusammenbruch und Wiederaufbau ganzer Netzwerksysteme. Warum waren die Leute im 17. Jahrhundert so wild auf holländische Tulpen, dass manche dafür sogar ihre Häuser verkauften? Warum ließen sich in den Neunzigern
so viele scheinbar vernünftige Menschen von der Dotcom-Welle erfassen? Offenbar sind wir in unseren jeweiligen Netzwerken
auf eine Weise verschaltet, die uns
sowohl
resistent
als auch
anfällig dafür macht, uns von Krankheiten oder Ideeninfizieren zu lassen, bis hin zum Systemausfall. Eine entscheidende Grundregel bleibt aber bestehen: Am leichtesten steckt
man sich mit einer Krankheit an, am ehesten kauft man sich ein Buch, wenn alle anderen das auch haben. Das ist ein sogenanntes
Potenzgesetz, das manchmal auch als ‹Matthäus-Effekt› bezeichnet wird. Warum Matthäus-Effekt? Das bezieht sich natürlich auf
den Bibelspruch ‹Denn wer hat, dem wird gegeben›, auch bekannt in Form des schönen Sprichworts ‹Der Teufel scheißt immer auf
den größten Haufen›. Je mehr Leute ein Produkt haben, desto mehr werden es kaufen. Also … Kieran, nicht wahr?»
Kieran schreckt hoch, als wäre er eingenickt. «Hm?»
«Wer war Stanley Milgrams großes Vorbild?»
«Äh …»
«Ha! Da bin ich aber froh, dass Sie auch nicht alles wissen. Milgrams geistiger Vater war Solomon Asch, der bewiesen hat,
dass man wider besseres Wissen die falsche Antwort auf einfache Fragen gibt, wenn vorher nur genügend andere Leute auch falsch
geantwortet haben. Asch hat eine höchst faszinierende Versuchsreihe durchgeführt, bei der die Probanden einen Raum betraten,
in dem sie, wie sie glaubten, weitere Versuchspersonen für ein Reaktionsexperiment antreffen würden. Die übrigen Anwesenden
waren jedoch Schauspieler. Man zeigte ihnen eine Reihe geometrischer Figuren, etwa so …» Blackman tritt an die Tafel, wischt sein Diagramm weg und zeichnet stattdessen einen Kreis, ein Quadrat und ein Dreieck
in einer Reihe von links nach rechts an die Tafel, wie die einzelnen Buchstaben eines Wortes. Kreis, Quadrat, Dreieck, von
links nach rechts. Dann zieht er an der rechten Seite der Tafel eine vertikale Linie, die aussieht wie ein großes I oder ein
kleines l.
«Asch», fährt er fort, «bat die Anwesenden nun, ihm zu sagen, ob sich das Quadrat näher am Dreieck oder näher an derLinie befinde. Ganz offensichtlich ist es dem Dreieck näher. Trotzdem stellte sich dabei Folgendes heraus: Wenn die Schauspieler
– die natürlich instruiert waren, die falsche Antwort zu geben und zu sagen, das Quadrat befinde sich näher an der Linie –
zuerst befragt wurden, gab in vielen Fällen auch der eigentliche Proband die falsche Antwort. So funktioniert Massensuggestion.
Natürlich gefällt keinem von uns der Gedanke, dass wir dem Mainstream folgen, und trotzdem tun wir es alle mehr oder weniger
intensiv. Wir machen die seltsamsten Dinge, weil alle anderen es auch tun: Wir essen Fleisch, wir beten zu einem unsichtbaren,
bärtigen Mann, der gar nicht existiert. Auch in Ihrer Branche funktionieren Massentrends, weil Kinder genau das Spielzeug
wollen, das alle anderen haben – vor allem an Weihnachten, wie ich aus eigener leidvoller Erfahrung weiß, nachdem
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