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PopCo

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Titel: PopCo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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ich kriegen Kinder, weil das die einzige Möglichkeit ist, wieder
     an eine Familie zu kommen. Aber das will ich nicht. Eigentlich weiß ich überhaupt nicht, was ich will. Vielleicht ist Ben
     ja doch die Lösung. Oder es gibt gar keine Lösung, schließlich lassen sich manche Rätsel eben einfach nicht lösen. Womit wir
     wieder bei Turing wären.
    Ich bin früh dran, und als ich die Sporthalle erreiche, ist sonst noch niemand da. Weil ich keine Lust habe, die Streberin
     zu sein, die als Erste kommt, gehe ich weiter in Richtung Kids-Labor,so zielstrebig, als hätte ich dort etwas Bestimmtes zu erledigen. Ich frage mich, ob dieser Oscar wohl da sein wird, doch
     als ich ankomme, ist weit und breit niemand zu sehen. Die Tür allerdings steht offen, ich gehe hinein und finde mich in einer
     kubischen Eingangshalle wieder, an deren Wänden lauter bunte Garderobenhaken angebracht sind. In einer Ecke steht ein Kleiderständer,
     der aussieht wie ein Frosch, und um einen kleinen Tisch in Form eines Marienkäfers sind ein paar Stühle gruppiert. Das Licht
     ist ausgeschaltet; vielleicht liegt es ja daran, dass alles so verkehrt wirkt, aber ich habe sofort genau das gleiche Gefühl,
     von dem Ben berichtet hat. Und als ich durch einen mit betont «niedlichen» Spinnen verzierten Rundbogen in den Spielbereich
     trete, wird es noch schlimmer. Es läuft mir kalt den Rücken hinunter. Ob sie hier drinnen die Kinder beobachten? Das kann
     gar nicht anders sein. Spielmatten liegen auf dem Boden, und überall stehen Kisten mit allen möglichen Spielsachen. Ich komme
     mir vor wie eine Riesin in dieser Welt aus Puppentischchen und Puppenstühlchen und lustigen Phantasieobjekten. Als ich fast
     über einen Holzbauklotz stolpere, hebe ich ihn instinktiv auf. Ich bin eine große Gegnerin jeglicher Form von Chaos. Ist etwas
     unordentlich, muss ich es in Ordnung bringen; ist etwas aus der Reihe geraten, muss ich es aufräumen. Wenn ich beim Einkaufen
     bemerke, dass eine Packung aus dem Regal gefallen ist, hebe ich sie auf und stelle sie zurück. Jedes Mal. Ich kann es einfach
     nicht ertragen, wenn etwas   … nicht direkt durcheinander, aber doch auf dem besten Weg zur Unordnung ist. Auf zwei Seiten des Bauklotzes befindet sich
     je ein großes rotes A, auf den anderen Seiten sind Ahornblätter und Äpfel abgebildet.
A wie Alice
, denke ich, lege den Klotz in die Kiste und lächele dabei, doch es ist ein aufgesetztes Lächeln. Wozu dient ein aufgesetztes
     Lächeln, wenn sonst keiner da ist? Womöglich ist ja doch jemand hier und beobachtet mich. Wie soll ich daswissen? In den verspiegelten Wänden sehe ich nur mich selbst. Großer Gott. Wahrscheinlich bringt mich die Dunkelheit hier
     drinnen durcheinander. Dunkelheit und Kinder, das passt einfach nicht zusammen. Ich sollte gehen. Ben hatte recht. Etwas an
     diesem Ort macht einem Angst.
    Wie würde ich mich fühlen, wenn ich ein Kind wäre und hierher käme, um ein Produkt zu testen und mich beim Spielen beobachten
     zu lassen? Wäre das wirklich so anders als das, was mir gerade im Moment widerfährt: hier zu sein und den Auftrag zu haben,
     mir ein einzigartiges Produkt auszudenken? Als Kind fände ich das alles vermutlich viel spannender. Vielleicht würde ich mich
     sogar wichtig fühlen. Wahrscheinlich hätte man mir auch erklärt, dass mich ein paar interessierte Erwachsene aus der Spielzeugbranche
     beobachten und mir später Fragen zu den Spielsachen stellen würden. Als Kind hätte ich das sicher toll gefunden.
     
    «Alicia!», begrüßt mich Kieran, als ich wieder bei der Sporthalle bin. Mir ist nicht ganz klar, wieso er meinem Namen zwei
     völlig überflüssige Silben hinzufügen muss. Immerhin bietet er mir einen Joint an, den ich dankbar annehme. Ob das meinem
     Hals guttut? Was würde Kent dazu sagen? Und wen interessiert das? Das Grüppchen besteht neben Kieran aus Grace, Niila und
     Mitzi von der isländischen Plüschtierabteilung, der Blonden, die mir jetzt als Violet vorgestellt wird, dem tätowierten Schwarzen
     namens Frank und einem Typen, mit dem ich bisher noch nicht geredet habe: der, von dem ich fand, er sähe aus wie ein Sozialarbeiter
     auf Heroin. Er heißt James. Kieran verteilt kopierte Blätter an alle.
    «Wo ist eigentlich Ben?», frage ich, als er mir mein Blatt gibt.
    «Keine Ahnung», sagt er.
    Ich schaue auf das Blatt. Es ist eine Karte vom Dartmoor,allerdings ohne Ortsnamen. Stattdessen stehen lauter Tiernamen darauf. Im Norden liegt ein Ort

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