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PopCo

PopCo

Titel: PopCo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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die PopCo herstellen könnte und die nach demselben Prinzip funktionieren
     wiealte Socken. Oscar hat irgendwas von einem ‹Sock Me Up›-Set geredet   …»
    «Ja», sage ich. «Das wird gerade entwickelt. Ich hatte mich schon gefragt, wo die Idee jetzt wieder herkommt.»
    «Und was soll das genau sein?»
    «Eine Art Bastel-Set, mit dem man seine Strümpfe lustig gestalten kann. Was weiß ich. Soweit ich gehört habe, werden zwei
     Sets entwickelt. Das eine ist für Mädchen und funktioniert ein bisschen nach dem Prinzip Perlensticken – aber es ist natürlich
     auch viel zum Aufbügeln dabei. Man kann damit Gesichter und Muster auf die Strümpfe sticken. Ich glaube, der Slogan dazu ist
     irgendwas Richtung
Freunde zum Anziehen
. Das andere Set heißt Monster-Socke und soll vor allem Jungs ansprechen. Eine Art Handpuppenwerkstatt, mit Glubschaugen zum
     Aufkleben, langen Zungen aus Filz und solchem Zeug. Ich glaube, sie wollen noch testen, welches von beiden sich besser verkaufen
     könnte.»
    «Woher weißt du das denn alles?»
    «In Battersea wird viel geredet», erwidere ich. «Jeder weiß ziemlich genau, was die anderen so machen. Außerdem gehe ich immer
     zum Rauchen nach draußen, wie Mark Blackman meinte, und unterhalte mich manchmal mit einer Frau, die an dem Projekt arbeitet.
     Aber trotzdem: was für ein Mist! Ich wusste gar nicht, wie die sich ihre Ideen holen. Das ist schon ziemlich gruselig.» Aber
     wenn ich ehrlich bin, wusste ich es doch. Ich kenne schließlich die Funktionsweise von Fokusgruppen, und das hier ist letztlich
     das Gleiche. Normalerweise blendet man so etwas aber aus. Das geht auch nicht anders, sonst kann man gar nicht weiterarbeiten.
     Es kommt einem schließlich so ziemlich alles merkwürdig vor, wenn man es zu lange und zu genau ansieht – selbst das Wörtchen
     «wenn».
    Ben drückt seine Zigarette in einem PopCo-Aschenbecher aus. «Ich kapiere nur einfach nicht, warum wir Kinder, die gernmit alten Socken spielen, nicht einfach weiter damit spielen lassen können. Wieso müssen Firmen wie PopCo sich ständig einmischen
     und alles kaputt machen? Ist das reine Geldgier? Ich kapier’s einfach nicht.»
    «Vielleicht brauchen die Aktionäre ja ein bisschen Kohle», sage ich, und wir müssen beide lachen.
    Anschließend legen wir uns ins Bett und schlafen eine Stunde, bis ich schweißgebadet hochschrecke, noch halb gefangen in dem
     Traum, zu spät zur Segelstunde zu kommen. Im Traum musste ich beim Eintreten feststellen, dass das Boot im Boden versunken
     war.

KAPITEL ZWANZIG
    E s ist Samstagmorgen. In einer halben Stunde wollen wir zu unserem komischen Naturtrip aufbrechen. Ich habe Halsweh und werfe
     Aconitum ein, als gäbe es kein Morgen – was in homöopathischen Kategorien letztlich nur bedeutet, dass ich tatsächlich die
     doppelte Dosis nehme. Ich hasse Erkältungen. Ich würde so ziemlich alles tun, um sie abzuwenden, und nehme fast stündlich
     hohe Dosen Vitamin C, Echinacea und teelöffelweise Honig ein, wenn ich das Gefühl habe, eine Erkältung zu bekommen. Dafür
     gibt es Gründe. Als Kind habe ich mit meinem Vater in einer feuchten Sozialwohnung gewohnt, und seither bin ich anfällig für
     Atemwegserkrankungen. Außerdem sind meine Großeltern letztlich beide an Erkältungen gestorben – besser gesagt an den Folgen
     einer mehr oder minder schweren Grippe. Wenn ich erkältet bin, fühlt es sich an, als würde man mir mit einer scharfen Sichel
     den Brustkorb spalten, und hinterher röchele und keuche ich wochenlang wie eine alte Frau. Ich habe mit mir selbst vereinbart,
     beim nächsten Atemwegskatarrh mit dem Rauchen aufzuhören, sehe diesem Tag aber alles andere als freudig entgegen.
    Aconitum ist der lateinische Name für Eisenhutgewächse, die natürlich hochgiftig sind. Aconitin ist sogar eins der gängigsten
     Gifte der Menschheitsgeschichte. Anders als das wildwachsende
Aconitum anglicum
sieht man den Blauen Eisenhut
Aconitum napellus
(der in der Homöopathie eingesetzt wird) auch oft in Gärten. Er kam ursprünglich in Mode, um jedem sein eigenes kleines Giftdepot
     zu ermöglichen. Herbarien aus dem 16.   Jahrhundert warnen bereits davor, dass dieser hübschen, scheuen blauen Blume nicht zu trauen ist. Wer vom Eisenhutisst, stirbt. Die Vergiftungserscheinungen treten sehr plötzlich auf und versetzen das Opfer in Panik und Furcht vor dem nahenden
     Tod. Wenn eine Krankheit also plötzlich einsetzt und man das Gefühl hat, sterben zu müssen (oder

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