Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
PopCo

PopCo

Titel: PopCo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
Vom Netzwerk:
meine Bemerkungen dazu. Und wie sich herausstellt, gibt es auch noch einen anderen Grund für die Alarmanlage.
    Am 3.   April kommt mein Großvater mit einer großen Kiste nach Hause.
    «Das ist für dich, Beth», sagt er zu meiner Großmutter, und ihre Augen leuchten auf, als sie den BB C-Micro -Computer auspackt. Eine ganze Woche lang bleibt die Riemann’sche Vermutung,die, wie ich inzwischen weiß, irgendwas mit einer Reihe von Nullstellen auf einem vierdimensionalen Graphen zu tun hat (wobei
     die Grundfrage lautet:
Geht diese Reihe ewig weiter, oder hört sie irgendwann einfach auf oder ändert sich
?), unbeachtet liegen, während meine Großmutter in ihrem Arbeitszimmer sitzt, aus dem man ständig lautes Klappern hört, und
     mich hin und wieder bittet, eines der Programme zu testen, die sie in BASIC geschrieben hat und die einem mit Ja-Nein-Antworten
     die nötigen Informationen entlocken.

    Dieses Kapitel der Geschichte entführt mich in die Vergangenheit, wo ich etwas über einen gewissen Georg Cantor erfahre. Der
     hat die Mengenlehre erfunden! Und außerdem hat er herausgefunden, dass es nicht nur eine Unendlichkeitsebene gibt, sondern
     ganz verschiedene Ebenen der Transfinität. Die Namen dieser Transfinitätsebenen finde ich wunderbar. Die erste heißt Aleph
     Null und ist die ganz normale Unendlichkeit, die jeder verstehen kann. Die nächste Ebene heißt Aleph Eins, und man erreicht
     sie, indem man Aleph Null hoch zwei nimmt. Das ist alles ziemlich verwirrend, aber es gefällt mir trotzdem, und ich glaube
     sogar, dass ich Cantors berühmtes Diagonalargument schon fast verstehe.
    Meine Großmutter liebt ihren Computer. Aber sie hat ja auch schließlich noch selbst mit Turing über dessen Ideen gesprochen,
     als sie ganz frisch waren. Sie kennt Ada Lovelaces Überlegungen zur Programmierung von Babbages Analysemaschine.Und sie weiß, wie das Gerät funktioniert, und hat keine Angst davor. Mich fasziniert es aus verschiedenen Gründen, vor allem
     aber, weil es an einen nagelneuen, tragbaren Schwarzweißfernseher angeschlossen ist. Ein Fernsehgerät in unserem Haus! Aber
     es wird natürlich nie dazu benutzt, um irgendwelche Sendungen damit anzuschauen. Es heißt ja noch nicht mal «Fernseher». Wir
     sagen «Bildschirm» dazu.
    Seit ich gelesen habe, was meine Großmutter über Georg Cantor schreibt, rede ich eigentlich nur noch von Aleph Null. Wenn
     mein Großvater mich fragt, wie viele Kekse ich möchte, antworte ich: «Aleph Null, bitte.» Seine Augen funkeln, wenn ich das
     sage, also mache ich es umso öfter. Eines Tages sitze ich in dem großen Ohrensessel im Wohnzimmer und lese. Ich blättere in
     der
Kopfnuss
-Sammlung, obwohl ich das meiste bereits gelesen (und nur knapp die Hälfte davon verstanden) habe. Zum aleph-nullten Mal betrachte
     ich meinen Namen in der Danksagung, und dann fällt mir plötzlich erstmals das seltsame Symbol auf der nächsten Seite auf:
     ℵ0.   Dasselbe Symbol wie auf meinem Medaillon! Mein Großvater ist nicht da, darum stürze ich zu meiner Großmutter ins Arbeitszimmer.
    «Was ist das?», frage ich ganz außer Atem, weil ich so schnell die Treppe hochgelaufen bin.
    «Aleph Null, Dummerchen», antwortet sie. «Dein Lieblingsausdruck.»
    «Aleph Null? Aber   …»
    Meine Großmutter muss lächeln. «Ach, natürlich. Du hast ja das Symbol noch nie gesehen. Meine Tastatur hat keine hebräischen
     Buchstaben, deshalb schreibe ich es immer aus. Das ist ja lustig.»
    Ich finde es gar nicht lustig. Schließlich versuche ich seit einer Ewigkeit herauszukriegen, was dieses Symbol bedeutet.
    «Das ist ein Hinweis, stimmt’s?», sage ich. «Auf den Schatz.»
    «Nein», sagt sie nachdrücklich. «Keineswegs. Dein Großvatersetzt dieses Symbol unter alles. Ist dir das denn noch nie aufgefallen?»
    Nein, natürlich nicht. Aber jetzt, wo ich es weiß, sehe ich plötzlich, dass er es tatsächlich unter seinen Briefkopf setzt
     und außen auf die Briefumschläge, die er einwirft. Er hat einen kleinen Stempel, mit dem er es überall aufdrucken kann. Warum
     ist mir das bloß nie aufgefallen? Tja. Für mich geht es jetzt also nur noch um 2.14488156Ex48.   Was in aller Welt kann das bloß heißen? Natürlich weiß ich, dass ich meine Großmutter besser nicht weiter nach dem Medaillon
     frage. Sie reden beide nicht gern darüber, auch wenn ich das gar nicht verstehe.
    Bald darauf beginnt meine Großmutter, Computerprogramme in Assemblersprache zu verfassen, komplizierte kleine

Weitere Kostenlose Bücher