PopCo
weismachen will, diese ganzen Machenschaften wären gut für sie. Für das Traumgefängnis
haben wir uns beispielsweisevon Massentierhaltung, Tierversuchslaboren und Sweatshops inspirieren lassen. Dazu musste ich diese ganzen scheußlichen Berichte
lesen.» Er löst die Augen wieder von der Wand, schüttelt den Kopf und sieht mich an. «Wenn man erst mal weiß, was da los ist,
rüttelt einen das ziemlich auf. Aber es ist gar nicht mal so leicht, mit anderen darüber zu reden, weil die immer gleich glauben,
man spinnt oder denkt sich das alles aus. Und da sind ja auch Dinge im Gange, die sich wirklich wie schlechte Erfindungen
anhören.»
«Die meisten Leute glauben eben lieber einem Dreißig-Sekunden-Werbespot als der Wahrheit», sage ich. «Es ist einfach leichter,
sich Sachen anzuhören, die man auch hören will.» Das weiß ich, weil ich selbst auch so bin. Ich falle voll und ganz in diese
Kategorie. Natürlich bin ich auch gegen all das Verpackungsmaterial, das bei PopCo verwendet wird, aber jedes Mal, wenn wieder
eine Mail mit der Mitteilung kommt, wir würden es weiter reduzieren und hätten bereits achtzig Prozent unserer «Umweltziele»
erreicht, erlaube ich mir ein Gefühl warmer Zufriedenheit, obwohl ich tief drinnen weiß, dass es Blödsinn ist und wir immer
noch für alles und jedes Plastikverpackungen verwenden.
«Stimmt», sagt Ben.
«Ich glaube aber beispielsweise nicht, dass du spinnst», sage ich. «Und das hat dich dann also zum Veganer gemacht?»
«Ja», sagt er. «Die Art, wie wir mit Tieren umgehen, das ist alles so … ich weiß auch nicht … so anti-utopisch, als wäre unser ganzes modernes Leben ein unglaubwürdiger Science-Fiction-Roman.» Er sieht mich mit ernstem
Gesicht an, dann scheint ein Grinsen auf. «Einmal habe ich über eine Forschungsreihe gelesen, bei der Tiere darauf dressiert
wurden, auf Knöpfe zu drücken, wenn sie Futter haben wollten. Vögel mussten sich auf einen Hebel setzen, andere Tiere wie
Schweine oder Kühe konnten mit der Schnauze auf Knöpfe drücken. Die Forscherfanden heraus, dass Kühe richtig gern gestreichelt werden, so gern, dass sie auch bereit waren, dafür Knöpfe zu drücken. Schweine
erwiesen sich als ganz besonders klug und lernten tatsächlich alles, was sie lernen sollten. Die haben sich alles per Knopfdruck
bestellt: Futter, Streicheleinheiten, Spielzeug. Und ich saß vor diesen Fotos von Schweinen vor solchen Steuerkonsolen und
dachte mir: ‹Mein Gott, ich kann doch kein Tier essen, das Videospiele macht.› Daraufhin bin ich Vegetarier geworden. Seit
ich meinen Hund habe, ist mir das mit dem Fleisch sowieso nicht mehr geheuer, und das Buch hat mich nur darin bestätigt. Einige
Zeit später habe ich dann beschlossen, ganz konsequent zu sein, und bin Veganer geworden. Das ist das ganze Geheimnis meines
Vegetariertums.» Er lacht. «
Iss nichts, was Videospiele machen kann.
»
Ich lache mit. «Und was hat die Butter damit zu tun? Ich meine, wieso muss man gleich Veganer werden?»
«Willst du das wirklich wissen?» Ben runzelt wieder die Stirn.
«Ja. Warum denn nicht?», frage ich zurück.
«Weißt du, wie Milch hergestellt wird?»
Weiß ich, wie Milch hergestellt wird? Ich bin mir nicht sicher. Ich durchforste mein Hirn nach Bildern, finde aber nur das
aus dem Marketingprospekt für die Freunde vom Bauernhof, auf dem eine rotwangige Bauernmagd auf einer grünen Kunststoffweide
neben Daisy oder Buttercup auf dem Melkschemel sitzt. Aber so kommt man ja wohl kaum an die Milch. Ich habe ein weiteres verschwommenes
Bild von Kühen im Stall im Kopf, aber sonst kommt gar nichts. Wie blöd. Ich trinke ständig Milch – wieso weiß ich eigentlich
nicht, wie sie hergestellt wird?
«Milchkühe haben ein ziemlich furchtbares Leben», unterbricht Ben meine Gedanken. «Sie müssen Jahr für Jahr kalben, und wenn
sie anfangen, weniger Milch zu geben, meist so mitzwei oder drei Jahren, werden sie geschlachtet. Außerdem leben sie in ständiger Qual, weil sie nach ihren Kälbern suchen …»
Jetzt runzele ich die Stirn. «Sie suchen nach ihren Kälbern?»
«Ja.» Ben nickt. «Die Kälber werden ihnen weggenommen, sobald sie auf der Welt sind, und entweder zu Kalbfleisch verarbeitet
oder einfach so getötet. Es … es zerreißt einem das Herz, wie diese Kühe nach ihren Kälbern rufen und nach ihnen suchen. Ich weiß auch nicht. Mir ging
das zumindest so.»
Eine Zeitlang sitzen wir
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