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PopCo

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Titel: PopCo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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Aber ich kann trotzdem nicht drüber reden.»
    «Ben?»
    «Ja?»
    Ich schaue auf die vielen Packungen auf der Bettdecke. «Was meinst du, sollen wir einfach eine Hand voll von dem Zeug nehmen?»
    «Nein. Ich glaube, dann fühlen wir uns nur noch schlechter.»
    «Bist du sicher?»
    «Ja.»
    «Ich wünschte, ich könnte eine rauchen.»

KAPITEL VIERUNDZWANZIG
    A n meiner alten Schule zogen wir uns für den Sportunterricht in einem gemütlichen, warmen Raum neben der Aula um, wo wir dann
     freien Ausdruck (Tanzen mit irgendwelchen Gegenständen) und tänzerische Gymnastik (Tanzen ohne irgendwelche Gegenstände) hatten.
     Manchmal spielten wir auch Netball auf dem Spielfeld draußen vor dem Schulhaus. Es war absolut nichts Traumatisches dabei.
    Doch jetzt ist der Sportunterricht ganz anders. Wenn man an meiner alten Schule sein Sportzeug vergessen hatte, durfte man
     sich irgendwo ruhig hinsetzen und lesen, während die anderen Kinder Sport hatten. An meiner neuen Schule muss man in Unterwäsche
     mitturnen, wenn man seine Sportsachen vergessen hat. Kein Witz! Die Sportsachen selbst sind allerdings kaum besser. Als Mädchen
     muss man einen ganz kurzen blauen Faltenrock, ein blaues Sporthöschen und ein Aertex-Oberteil in der Farbe des jeweiligen
     Schulhauses anziehen. Und einen gemütlichen, warmen Umkleideraum gibt es auch nicht, nur einen flachen Betonbau, der in «Mädchen»
     und «Jungen» unterteilt ist. Die Mädchenseite ist eine feuchte Höhle mit Haken aus dunklem Metall, schmalen Holzbänken und
     – o Graus! – Gemeinschaftsduschen. Sport ist die ekligste und blödeste Erfindung überhaupt. Mit elf, diesem Alter, wo alles
     durch strengste Vorschriften und Konventionen geregelt ist, ist es das Allerletzte, sich nackt vor seinen Klassenkameradinnen
     zeigen zu müssen. Und das Zweitallerletzte ist, draußen in der Kälte in einem Röckchen herumzulaufen, das so kurz und freizügig
     ist, dass man damit in jeder anderen Lebenslage peinlich berührte Blicke und Geflüster ernten und wahrscheinlich wegen Erregungöffentlichen Ärgernisses festgenommen würde. Trotzdem müssen wir beides tun, und zwar dreimal in der Woche.
    «Damit gehe ich auf keinen Fall raus», erklärt Emma vor der ersten richtigen Sportstunde, die wegen der ganzen Einführungsveranstaltungen
     erst am Freitag der zweiten Woche stattfindet. «Miss?» Sie reckt die Hand in die Luft und versucht, die Aufmerksamkeit von
     Miss Hind, der Sportlehrerin, auf sich zu lenken. «Entschuldigung, Miss?»
    «Was denn?», fragt Miss Hind.
    «Müssen wir in dem Aufzug wirklich nach draußen?»
    «Wie heißt du?», herrscht Miss Hind sie an.
    «Emma.»
    «Nun, ja,
Emma
, das müsst ihr.»
    «Aber das ist geschmacklos, Miss.»
    «Wie bitte, Emma? Was hast du gerade gesagt?»
    «Das ist geschmacklos.»
    «Genau», springe ich ihr bei.
    «Da sind doch auch Jungs draußen, Miss», fügt Michelle hinzu.
    Erst später erfahre ich, dass die Kostüme, die Michelle beim Eiskunstlaufen trägt, noch sehr viel freizügiger sind als unsere
     läppischen Sportröckchen. Ich erfahre aber auch, dass sie eher sterben würde, als sich irgendwo in dieser Aufmachung zu zeigen.
    «Warum müssen die Jungs keine Röcke tragen?», fragt Tanya. «Das ist total sexistisch.»
    «Und warum können wir nicht einfach Trainingsanzüge anziehen?», frage ich.
    «Professionelle Sportlerinnen tragen auch solche Röckchen», sagt Miss Hind.
    «Aber wir sind doch keine   …», protestiert Tanya.
    «Und Leichtathletinnen tragen sogar nur Unterhosen. Habt ihr das noch nie im Fernsehen gesehen?»
    Unsere Klassenkameradinnen mustern uns mit einer Mischung aus Entsetzen und Bewunderung. Ich finde es toll, mit dieser Clique
     rumzuhängen. So hat mich überhaupt noch nie jemand angeschaut. Da wir allerdings bisher die Einzigen sind, die versuchen,
     sich gegen die Lehrerin zu behaupten, haben wir diese Anerkennung wohl auch verdient.
    «Wenn ihr euch noch einmal beschwert», fährt Miss Hind fort, «dürft ihr auch in Unterhosen turnen. Und zwar alle. Verstanden?»
    «Wenn sie das macht, treten wir in Streik», flüstert Emma mir zu. Trotzdem stellen wir unseren Protest vorläufig ein. Im Grunde
     wissen wir schließlich, dass Widerstand zwecklos ist und Lehrer in solchen Situationen immer am längeren Hebel sitzen.
    «Also gut», sagt Miss Hind. «Bitte allen Schmuck hier rein.»
    Sie geht mit einem verbeulten Pappkarton herum. Es dauert ewig. Einige Mädchen haben sich erst kürzlich

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