Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
PopCo

PopCo

Titel: PopCo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
Vom Netzwerk:
schweigend da, während ich das alles verdaue.
    «Wo ist dein Hund denn jetzt gerade?», frage ich schließlich.
    «Bei meinem Cousin. Wir wohnen zusammen, er kümmert sich um sie – es ist eine Hündin   –, solange ich hier bin.»
    «Vermisst du sie?»
    «Und wie.»
    «Ich habe eine Katze.» Ich denke einen Moment nach, dann sage ich: «Ich weiß ja nicht viel darüber, aber heutzutage haben
     Bauernhöfe doch eigentlich gar keinen Hof mehr, oder? Sie sind ganz anders als die Bauernhofspielsachen, die wir so verkaufen.
     Ich meine, vermutlich haben doch nicht nur die Milchkühe ein Scheißleben.»
    «Nein.» Ben schüttelt den Kopf. «Nein. Bauernhöfe sind heute wie Gefängnisse.»
    Normalerweise sehe ich bei dem Wort «Bauernhof» Spielzeugkühe und -schweine und kleine Spielzeugzäune vor mir. Vielleicht kommt man einfach besser mit der Welt zurecht, wenn man sie aus der Spielzeugperspektive
     betrachtet, wo selbst die Zäune noch niedlich sind. Vielleicht aber auch nicht. Was passiert, wenn man plötzlich feststellt,
     dass es ganz reale Zäune gibt? Bisher kannte ich nur eine Vegetarierin (Rachel),jetzt kenne ich noch einen Veganer. Aber das ist doch auch nicht «normal» im eigentlichen Sinn. Oder?
    Dann habe ich plötzlich einen ganz seltsamen Gedanken. Ist vielleicht das Marketing an allem schuld? Bringt uns das Marketing
     auf die Idee, dass es mindestens so bescheuert ist, Vegetarier zu sein, wie Schulterpolster zu tragen oder zu viel Rouge zu
     benutzen? Ist das Marketing dafür verantwortlich, dass wir es gut finden, ein Stück tote Kuh zu Mittag zu verspeisen, das
     uns neunundneunzig Pence gekostet hat? Vielleicht. Und dann kommt noch hinzu, dass alle anderen es auch so machen. Wer sagte
     das neulich noch? Richtig, Mark Blackman, bei dem Vortrag über Netzwerke.
Je mehr Leute etwas tun, desto eher folgt man ihrem Beispiel
.
    Das führt mich zu der Frage, ob Ben recht hat. Werden Kühe wirklich gern gestreichelt?
    «Ich finde, du bist mutig», sage ich schließlich zu ihm.
    «Mutig? Ich? Wie kommst du denn darauf?»
    «Die meisten Leute halten dich sicher für durchgeknallt, weil du Veganer bist», sage ich. «Aber ich weiß eigentlich gar nicht,
     warum. Wenn man mal drüber nachdenkt, ist doch die ganze Welt ziemlich durchgeknallt.»
    Er legt sich zu mir aufs Bett. «Tja. Schon.» Wir schauen beide zur Decke hinauf, und Ben streicht mir sanft durchs Haar.
    «Bist du glücklich?», frage ich ihn und muss an die Geheimbotschaft denken, die mir dieselbe Frage gestellt hat. Ich weiß
     noch immer keine Antwort darauf. Spielt es überhaupt eine Rolle, ob ich glücklich bin? Wahrscheinlich ist das die logische
     Antwort auf die Frage:
Spielt das eine Rolle?
    «Jetzt gerade?», fragt Ben.
    «Ja.»
    «Ja. Jetzt gerade bin ich glücklich. Genau in diesem kleinen Moment bin ich sogar sehr glücklich.»
    «Dabei ist doch alles so beschissen.»
    «Klar, aber man tut eben, was man kann. Man tut, was man kann, und dann muss man auch wieder damit aufhören, sonst dreht man
     wirklich durch. Glaub mir.»
    «Was kann man denn tun? Beispielsweise Veganer werden?»
    «Ja.» Er seufzt. «Und noch ein paar andere Sachen. Ich   … ich würde dir ja gern alles erzählen.»
    «Dann tu’s doch.»
    Er beißt sich auf die Lippe. «Das geht nicht.»
    Ich schweige einen Moment lang. «Hilft es denn, Veganer zu sein?»
    «Ja. Das glaube ich zumindest.»
    «Aber wie? Hilft es beispielsweise mehr, als bloß Vegetarier zu sein?»
    «Ich denke schon. Ich meine, man kauft nichts, was irgendwie mit der Fleischproduktion zu tun hat, das ist schon mal gut.
     Lies mal irgendwann nach, was sie so mit Gänsen, Schweinen und Hühnern anstellen. Als Veganer verweigert man dem Gesindel
     aus dieser Branche seinen Umsatz komplett. Und damit   … ich weiß auch nicht   … damit löst man sich vielleicht schon ein bisschen aus der Matrix.» Er zuckt die Achseln.
    Ich muss wieder an Mark Blackman denken. «Aber du bist doch nur einer. Und alle anderen kaufen weiter tierische Produkte.»
    «Gut, aber ich gebe – sagen wir mal, zehntausend Pfund im Jahr für Lebensmittel aus. Mindestens. Das machen alle, zumindest
     die Leute, die so viel verdienen wie wir. Und nichts davon fließt in die Fleischproduktion. Wie gesagt, man tut, was man selber
     kann, dann muss man aufhören. Und das sind eben die Dinge, die ich tun kann.»
    «Und die ‹anderen Sachen›?»
    «Ja. Die auch.»
    «Ist das legal?»
    «Wie? Oh, klar. Das ist nicht der Grund.

Weitere Kostenlose Bücher