PopCo
Rohlinge und alles, was zur Verkleinerung nötig ist.
Was für eine Vorstellung! Ein Produkt, das den Reiz von Tattoos, Piercings, Buttons, Motto- T-Shirts , Postern, bestimmten Kleidungsstilen und Freundschaftsarmbändern in sich vereint … Ja, das ist das brandneue Konzept??? (hier muss dann der Name hin).
Das also ist meine Idee. Ich lese mir meine Notizen noch einmal durch. Dann stürze ich ins Bad, um mich zu übergeben.
Gegen halb fünf kommt der Arzt. Bei mir hat sich inzwischen dieses Krankheitsgefühl eingestellt, dass die Zeit extrem langsam
vergeht, und aus der Perspektive von halb fünf scheint mir heute Morgen, als Ben mir das Frühstück gebracht hat, zwei Wochen
her zu sein. Draußen muss es heute ziemlich heiß gewesen sein, obwohl es hier drinnen recht kühl bleibt. Der Tag vor meinem
Fenster war fast völlig geräuschlos, bis auf einen Vogel, der ab und zu etwas gezwitschert hat. Wenn ich bloß meine Gitarre
hier hätte!
Der Arzt ist Mitte vierzig, trägt eine teure Brille, eine Baumwollhose und ein Leinenhemd.
«Was fehlt Ihnen denn?», fragt er mich.
«Gar nichts», sage ich hustend. «Nur eine Erkältung.»
Ich kann Ärzte nicht ausstehen. Der letzte Arzt, mit dem ich zu tun hatte, hat mir mitgeteilt, dass mein Großvater tot ist.
Im Lauf meines Lebens haben mir zwei Ärzte erklärt, ich hätte Asthma (was definitiv nicht stimmt), und drei wollten mir Antidepressiva
aufschwatzen, obwohl ich gar nicht depressiv bin. Mit siebzehn habe ich eine schwierige Phase durchgemacht, da wollten sie
mir Prozac verschreiben. Dabei brauchte ich gar keine Tabletten, ich musste nur mein Leben in den Griff kriegen. Und das ist
noch halb so schlimm, wenn man es mit dem vergleicht, was ich kürzlich über zehnjährige Kinder gelesen habe, die mit Tabletten
vollgestopft werden, weil sie angeblich hyperaktiv sind. Das sind viel mehr, als man glauben sollte; dem Artikel zufolge bekommt
heute etwa jedes siebte Schulkind ein Medikament wie Ritalin. Einige Schulen wollten die Kinder sogar nur unter der Bedingung
zulassen, dass ihre «Verhaltensstörungen» medikamentös behandelt würden. Der Artikel sprach davon, dass viele Kinder schon
durch ihren Lebenswandel dazu verurteilt seien, hyperaktiv zu werden: Fernsehen, Videospiele, Fastfood. Mir wird ja schon
ganz schlecht, wenn ich länger als zwei Stunden am Stück fernsehe, da will ich mir gar nicht vorstellen, was das mit Kindern
macht. Sie ernähren sich von Zucker, Salz und Fett und werden mit unserer visuellen Baller-Kultur zugeschüttet. Können Tabletten
da die Lösung sein? Nein, würde ich sagen; aber was weiß ich schon darüber?
Der Arzt will mich abhorchen.
«Sie sind ziemlich kurzatmig», bemerkt er.
Da erzählt er mir nichts Neues. «Ich nehme etwas Homöopathisches dagegen», erwidere ich.
Das scheint ihn nicht weiter zu interessieren. «Sind Sie gegen irgendwas allergisch?», fragt er, während er in seiner Tasche
kramt.
«Nein», brumme ich und denke mir dabei:
Nur gegen Ärzte und Arbeit und das Leben heutzutage. Wenn Sie’s ganz genau wissen wollen, wäre ich im Moment am allerliebsten
in einer abgeschlossenen Kugel irgendwo auf einem fernen Planeten.
«Gut. Ich lasse Ihnen ein paar Medikamente da, die Sie brauchen.» Er zieht etliche weiße Packungen mit unbeschrifteten Etiketten
aus der Tasche, auf die er meinen Namen und die jeweilige Dosierung schreibt, und lehnt sich dabei an den Bettpfosten – ein
vielbeschäftigter Mensch, der nicht einmal Zeit hat, sich hinzusetzen. «Das hier ist ein Antibiotikum. Ich glaube zwar nicht,
dass es was Bakterielles ist, aber damit sind wir auf der sicheren Seite. Haben Sie Asthma?»
Die alte Leier. Ich schüttele den Kopf. «Nein. Ganz sicher nicht.»
«Na, ich lasse Ihnen vorsichtshalber mal einen Inhalator da. Und ein paar Schmerztabletten – schön stark, die kriegen Sie
sonst gar nicht in Großbritannien … und noch etwas Schleimlösendes und …»
Ich lese die Namen auf den Packungen, die er mir gibt.
«Ist Vicodin nicht das Zeug, von dem die ganzen Hollywoodstars abhängig sind?», frage ich. «Und das hier …» Ich halte das schleimlösende Mittel hoch. «Bei den Olympischen Spielen fällt das unter das Doping-Gesetz.»
Er seufzt. «Wollten Sie demnächst an irgendeiner Olympiade teilnehmen?»
«Nein, aber …»
«Dann brauchen Sie ja auch keine Angst vor Doping-Kontrollen zu haben, oder? Da ist nur ein klein bisschen
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