PopCo
und ein Antiquariat für Bücher und Platten. Vor dem Antiquariat bleibe ich stehen und gehe hinein. Ich muss ja nach dem genauen
Weg zum Museum fragen, außerdem kann ich an solchen Läden einfach nicht vorbeigehen. Es versetzt mir einen heftigen Stich,
als ich daran denke, wie mein Großvater immer vor Antiquariaten stehen blieb, um nach alten Kräuter- oder Esoterikbüchern
zu suchen, immer in der Hoffnung, irgendwo ein Bild oder ein Textfragment aus dem Voynich-Manuskript zu entdecken. Der Laden
selbst ist groß und luftig, obwohl praktisch alles, was darin verkauft wird, staubig und vergilbt aussieht. Alte Kassetten,
Trommeln, Tamburine, Schallplatten, Comics, Bücher, Traumfänger, Wimperntusche. Eine leicht asiatisch wirkende Frau unterhält
sich angeregt mit einem dunkelhaarigen Mädchen, das eine eingängige Melodie auf einer roten akustischen Gitarre spielt. Die
Frau lacht, und das junge Mädchen stimmt mit ein. Ich schaue mir die alten Bücher an und erinnere mich, wie ich einmal in
einem ähnlichen Laden ein dreibändiges Synthetisches Repertorium gefunden habe. Sie wollten nur fünf Pfund dafür haben, aber
ich konnte sie nach einigem Hin und Her überreden, zwanzig zu nehmen. Es war ein Wohltätigkeitsladen, ich wollte sie nicht
zu sehr übers Ohr hauen. Die Bücher waren weit über hundert Pfund wert.
Nachdem ich gefragt habe, wie ich zum Museum komme (gleich um die Ecke und ein Stück den Hang hinunter), verlasse ich den
Laden wieder. Das geheimnisvolle Päckchen hüpft in meiner Tasche:
Mach mich auf. Mach mich auf.
Aber ich kann es natürlich erst öffnen, wenn ich an einem halbwegs abgeschiedenen Ort bin. Vielleicht irgendein ruhiges Café?Ich gehe weiter. Ein ganz alltäglicher Laden mit Wanderausrüstung und ein Fotogeschäft zwischen einem ethisch unbedenklichen
Schuhladen und einem kleinen Biosupermarkt, daneben ein großes, auffälliges Café, das fast die ganze Straßenecke einnimmt.
Das gefällt mir nicht. Doch dann entdecke ich ein Schild in einer winzigen Seitenstraße: ein Pfeil, darunter das Wort «Café».
Die Tür ist so unauffällig, dass ich fast daran vorbeilaufe. Drinnen empfangen mich Holzdielen, wenige Tische, ein paar hübsche
Pflanzen und ganz hinten ein Klavier. Es ist kaum jemand hier, und ich setze mich an einen Tisch in der Ecke. Was soll ich
bestellen? Die letzten paar Tage habe ich mich ausschließlich vegan ernährt und fühle mich irgendwie verpflichtet, das Experiment
noch ein Weilchen fortzusetzen. Wird es mir irgendwann langweilig werden? Werde ich schrecklich abmagern? Das kann nur die
Zeit zeigen. Ich bestelle Kaffee ohne Milch und Vollkorntoast mit Marmelade und ohne Butter. Dann ziehe ich das Päckchen aus
der Tasche.
Der weiße, gefütterte Umschlag ist mit Tesafilm zugeklebt. Vorne drauf steht in blauen Lettern mein Name. Der unbekannte Absender
hat den Tesafilmstreifen vorausschauend oder unabsichtlich direkt über den Namen geklebt, und als ich ihn abreiße, ist auch
die blaue Schrift verschwunden. So kann ich zumindest sicher sein, dass niemand das Päckchen geöffnet hat, nachdem es verschlossen
wurde. Ich mache den Umschlag auf, greife hinein und ziehe den Inhalt heraus. Ein kleines Buch, das ich überall erkennen würde.
Mir zittern die Hände so sehr, dass es auf den Tisch fällt.
Woman on the Edge of Time
in der Ausgabe der Women’s Press von 1979 – genau die gleiche Ausgabe, die ich zu Hause habe, die meine Mutter mir vor all
den Jahren vermacht hat. Aber es ist natürlich nicht meine Ausgabe: Sie enthält keine Randnotizen, dafür ein weißes, in der
Mitte gefaltetes Blatt.
Die Bedienung kommt und sucht einen Platz auf dem Tisch, um meinen Kaffee und den Toast abzustellen. Ich räume Tasche und
Buch beiseite und murmele ein flüchtiges Dankeschön. Mir zittern immer noch die Hände. Ob ich eine Zigarette riskieren soll?
Vielleicht eine halbe. Wenn ich noch ein bisschen warte.
«Darf man hier rauchen?», frage ich den Kellner, der sich schon wieder zum Gehen wendet.
«Klar. Ich bring dir einen Aschenbecher.»
Obwohl mir der Appetit vergangen ist, esse ich den Toast, um ihn nicht zu verschwenden. Der Kaffee schmeckt stark und herb.
Immer noch zittrig, nehme ich drei weitere Schlucke davon, dann wische ich mir die Hände an der Serviette ab und ziehe das
Buch zu mir heran. Der Kellner stellt mir einen kleinen, handgemachten Aschenbecher auf den Tisch, und ich drehe mir eine
dünne
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