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PopCo

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Titel: PopCo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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Handtücher, Korkenzieher. So viel Aufwand, nur weil wir unser Gehirn für sie einsetzen!
    Esther hat sich auf die Suche nach Grace gemacht, und kurze Zeit später sehe ich beide lachend über den Ponton auf uns zukommen.
     Ich sehe auch, wie Hiro Grace betrachtet und dann betont beiläufig wieder wegschaut, als sie näher kommt. Während wir alle
     darauf warten, in das Boot steigen zu dürfen, streift er ganz leicht ihre Hand. Was immer zwischen ihr und Kieran war, wird
     wohl nicht von Dauer sein.
    Als ich das Boot besteigen soll, mache ich es wie Chloë, ziehe meine Turnschuhe aus und werfe sie ins Boot, um dann barfuß
     auf den Bug zu steigen. Dort verliere ich erst einmal fast das Gleichgewicht, bis ich einen weiteren Schritt auf eine der
     kleinen Bänke im Boot wagen kann. Ben ist bereits eingestiegen und hält mir die Hand hin. Kaum sitze ich, fühle ich mich plötzlich
     wahnsinnig aufgeregt. Ich bin dem Wasser so nahe, dass ich die Hand hineinhängen könnte. Der Mann, der die Segelteams hin-
     und hertransportiert, steht jetzt auf dem Ponton, um die Leine zu lösen. Dann stößt er, die Leine noch in der Hand, mit einer
     einzigen fließenden Bewegung das Boot ab und springt selbst hinein, ohne auch nur einen Moment unsicher zu wirken. Er wirft
     den Außenbordmotor an, süßlich-dumpfer Dieselgeruch füllt das Boot. Dann wendet er, und wir tuckern flussaufwärts davon.
    «Alles klar?», fragt mich Ben.
    «Ja, ich denke schon. Bei dir auch?»
    «Und ob. Ich finde das richtig toll.»
    Ich auch, glaube ich. Ich werfe einen Blick auf seine Füße.
    «Was ist denn aus dem Segelschuhplan geworden?»
    «Ich habe mich dann doch für die schuhlose Variante entschieden.»
    «Ich auch», sage ich und lächele, als er nach meiner Hand greift.
    «Ben», sage ich. «Ich muss dich nachher noch etwas fragen.» «Was denn?»
    «Du müsstest dir dafür eine Weile frei nehmen.»
    «Da bin ich aber mal gespannt», sagt er.
    «Darfst du auch sein.»
    Wir lächeln uns an und betrachten dann das Ufer, das zu beiden Seiten vorbeizieht, bis wir uns plötzlich in ziemlich zügigem
     Tempo einem kleinen, blauen Segelboot nähern.
    «Abfendern!», ruft Chloë unvermittelt.
    Wir wissen zwar nicht, was sie damit meint, folgen aber ihrem Beispiel und stemmen die Füße gegen den Schiffsrumpf, damit
     wir nicht mit dem Boot zusammenstoßen. Keiner sagt etwas dazu, es scheint also ganz normal zu sein. Dann wird das Transportboot
     mit dem Segelschiff vertäut, und wir klettern nacheinander an Bord. Während die anderen über das Deck wuseln und all das tun,
     was sie während meiner Abwesenheit gelernt haben, verstaue ich die Navigationsausrüstung. Ben faltet das Hauptsegel auseinander,
     Esther und Hiro befestigen die Fock am Vorstag und vertäuen sie, um sie später besser entrollen zu können.
    «Willst du mir beim Navigieren helfen?», frage ich Grace.
    «Ja, klar», sagt sie. «Und übrigens – schön, dass du jetzt mit dabei bist.»
    Ich lächele zurück. «Ich find’s auch schön.»
    Chloë löst die Bootsleine und wirft den Außenbordmotor an. Sie hat sich das Haar zum lockeren Pferdeschwanz gebunden,ihr Gesicht ist sonnengebräunt und entspannt. Ich mache das zum ersten Mal, habe noch nie vom Wasser aus an Land geschaut,
     nur umgekehrt. Und ich stelle fest, dass man sich an Land einfach nicht vorstellen kann, wie das sein wird. Es fühlt sich
     völlig anders an. An Land ist es fest und sicher, hier dagegen scheint alles weich und nachgiebig. Als wir uns der Flussmündung
     nähern, mischt sich der Geruch nach Diesel mit dem nach Salz und kühler Luft.
    «Müssen wir jetzt schon mit dem Navigieren anfangen?», frage ich Chloë.
    «Nein», sagt sie, den Fuß am Ruder. «Das dauert noch.»
    Wir fahren auf eine alte Burg direkt an der Flussmündung zu, und zum zweiten Mal an diesem Tag muss ich an frühere Kriege
     denken. Ich stelle mir vor, in dieser Burg an einem schmalen Fenster zu sitzen und Pfeile abzufeuern, um die Angreifer vom
     Meer her abzuwehren; nasse, dunkle, bedrohliche Umrisse, die man wahrscheinlich kaum richtig sehen konnte.
    «Seht mal.» Esther deutet mit ausgestrecktem Finger. «Die Flusskette.»
    «Die was?», fragt Hiro.
    Esther deutet auf einen großen Bolzen, der in der Uferböschung steckt und an dem ein gewaltiges Kettenglied zu hängen scheint.
    «Das Ding ist ganz alt», erklärt sie. «Wenn Dartmouth von Schiffen angegriffen wurde, haben die Leute aus der Stadt einfach
     die Kette hochgezogen.

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