PopCo
Zitrone und Koriander,
frittierte Kartoffelschnitze mit Chili-Marmelade, gebratenes Gemüse, Couscous, dicke grüne Oliven mit geräucherter Paprikapaste,
Zwiebelkuchen, Guacamole, Chips und ein paar große Thermosflaschen mit Kaffee, und neben einer kühlen Flasche Weißwein auch
mehrere Flaschen Bier.
«Nicht zu viel», ermahnt uns Chloë, als wir uns alle auf das Bier stürzen.
Als wir gerade mit dem Essen anfangen wollen, kommt Hiro zurück. «Oh, Bier!» Er nimmt sich eine Flasche. «Cool!»
«Und, Alice?», sagt Chloë, nachdem es sich alle gemütlich gemacht haben. «Hast du noch Fragen?»
«Nur eine», sage ich. «Woher wusstet ihr von meiner Vorgeschichte?»
«Das geht auf mein Konto», sagt Hiro. «Personalakten. Tut mir leid.»
«Verstehe», sage ich.
Ich beiße in ein knuspriges Stück Brot und nehme einen Schluck aus meiner Bierflasche. Im selben Moment, als mir die kühle
Flüssigkeit durch die Kehle rinnt, weht eine kühle Brise vom Meer herein. Ich halte die Nase in den Wind und trinke noch einen
Schluck Bier.
«Seht mal, da ist ein Seehund», sagt Esther plötzlich. Wir schauen alle hin – und tatsächlich, da spielt ein Seehund in den
Wellen. Wir wagen kaum zu atmen, als sich der glatte, braune Kopf aus dem Wasser reckt und sich umschaut.
«Hallo», flüstere ich.
«Wie wunderschön», sagt Ben leise.
Dann ist der Seehund wieder verschwunden, in der Bucht untergetaucht und vielleicht schon wieder aufs Meer hinausgeschwommen.
«Willst du denn immer noch bei PopCo kündigen?», fragt Esther mich.
«Ich weiß nicht», sage ich. «Ich dachte … ich dachte, ich schreibe vielleicht ein Buch.»
Darüber habe ich in der Nacht zuvor schon mit Chloë gesprochen. Ich wollte schon immer schreiben – richtige Bücher, nicht
nur die kleinen Handbücher, die ich bei PopCo verfasst habe. Und letztlich war es eine Bemerkung von ihr, die die Idee in
meinem Kopf richtig Gestalt annehmen ließ. «Bücher eignen sich auch ganz gut als Versteck», hat sie gesagt. «Das hat man ja
eigentlich immer schon gewusst.» Natürlich werde ich auch versuchen, diesen praktisch unmöglichen NoCo-Code zu entwickeln.
Auf jeden Fall. Aber ich weiß nicht, ob ich dafür in der Firma bleiben will. Mich reizt der Gedanke, mit meinen Kreuzworträtseln
und dem Voynich-Manuskript zu Hause zu sitzen. Und am Samstagnachmittag vielleicht ein paar kleinere Sabotageakte zu unternehmen
und etwas Spielzeug zu zerstören.
«Was denn für ein Buch?», fragt Ben.
«Einen Roman», sage ich. «Über PopCo. Darüber, was PopCo ist und tut, und darüber, wie man aufwachen und alles anders machen
kann.»
«Aha», sagt Grace. «Ein NoCo-Buch also.»
«Das finde ich eine tolle Idee», sagt Chloë.
«Aber ich will auch noch über ein paar andere Dinge schreiben», füge ich hinzu. «Ich habe meinem Großvater vor seinem Tod
nämlich etwas versprochen …»
«Aber du kannst auf keinen Fall den richtigen Namen von PopCo verwenden», sagt Esther. «Und auch nicht den von NoCo.»
«Die Namen werde ich ändern», sage ich. «Als ich gestern Nacht mit Chloë geredet habe, ist mir klargeworden, dass es eigentlich
egal ist, wie viele Leute von NoCo erfahren. Es weiß ja trotzdem niemand, wie wir wirklich heißen und wer Mitglied ist. Ich
werde ein Buch daraus machen, das von jungen, spannenden Leuten gelesen und von den Mächtigen ignoriert wird. Ideen habe ich
mehr als genug. Ich werde all die Spielsachen verwenden, die wir niemals hergestellt haben, all die ausrangierten Ideen, die
gescheiterten Träume. So werde ich mein Bild von PopCo zeichnen. Es kann mich schließlich keiner dafür verklagen, dass ich
Ideen verwende, die nicht umgesetzt wurden. Und dann sind da natürlich noch die ganzen anderen Dinge. Eine Schatzkarte, ein
uraltes Rätsel … Na, ihr werdet es dann ja lesen, wenn ich fertig bin.»
«Cool», sagt Hiro.
«Dann wirst du also definitiv kündigen?», sagt Chloë.
«Ja», antworte ich. «Aber ich bleibe trotzdem bei NoCo. Wie abgemacht.»
«Ja. Wie abgemacht.»
Sie lächelt mich an. Die anderen trinken weiter Bier und basteln sich seltsame kleine Sandwiches aus Salat, Hummus und Chips.
Chloë fängt an, Esther wegen ihrer «Ausbrüche» insGewissen zu reden, und Grace sitzt neben Hiro und lächelt ihm schüchtern zu, als er ihr ein zweites Bier öffnet. Über uns
kreischen die Möwen und stürzen sich auf die Krümel, die wir ihnen aufs Deck streuen. In der Ferne zieht
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