PopCo
Pünktchen
in den äußeren Augenwinkeln, sonst aber keinerlei Farbe im Gesicht. Um sie nicht weiter so auffällig anzustarren, schaue ich
zum anderen Tischende hinüber. Der schwarzgekleidete Typ hat mich beziehungsweise uns wohl auch gerade angestarrt, schaut
jetzt aber rasch weg und nimmt das eindringliche Gespräch mit seiner Begleiterin wieder auf.
«Man hat diesen Kuppelbau», sagt Dan, «und darin ist das Spiel …»
«Aber …»
«Sekunde.» Er zieht das Käsebrett zu sich heran. «Seid ihr sicher, dass ihr das wirklich hören wollt? Vielleicht findet ihr
es ja total öde.»
«Erzähl schon», sage ich. «Ich stehe total auf Kuppelbauten.»
«Genau», bekräftigt Esther. «Außerdem sind deine Zeichnungen toll.»
«Die Idee hinter dem Spiel … Eigentlich ist es eher so was wie ein Gedankenexperiment. Seht mal her.» Er zieht das Skizzenbuch zu sich heran und blättert
darin. «Das hier ist die Kuppel, da geht man also hinein.» Er blättert auf die nächste Seite. «Und drinnen ist alles anders.
Das Klima, die Vegetation,die Lichtquellen … Wie ein fremder Planet oder vielleicht eher wie die Simulation eines fremden Planeten. Vielleicht gibt es auch noch andere
Monde und Sterne, die oben in der Kuppel zu sehen sind … Mit dem Himmel habe ich mich noch nicht so eingehend beschäftigt, da gibt es bisher nur zwei, drei Skizzen. Aber egal, man
geht also hinein und trägt dabei einen speziellen Anzug, der so hauteng sitzen muss, dass man ihn irgendwann vergisst. Vielleicht
ist er auch nur aufgemalt. Hm. Da muss ich nochmal drüber nachdenken.» Er räuspert sich. «Na, wie auch immer, man trägt sowieso
noch Kleider darüber, egal, woraus er dann letztlich besteht. Klassische Rollenspielklamotten, würde ich sagen: Lederrüstung,
Lederstiefel und so was, zumindest für den Anfang. Der Kuppelbau ist übrigens riesig, mindestens halb so groß wie das Dartmoor,
und darin läuft man dann herum und wartet, dass irgendwer oder irgendwas einen angreift oder einem hilft. Anfangs hat man
noch kein Geld und auch keine vernünftigen Waffen, es ist also das Beste, sich so schnell wie möglich ein freundlich gesinntes
Lager zu suchen und Arbeit gegen Unterschlupf anzubieten. Alternativ kann man auch anderen Spielern auflauern, sie ausrauben
und ihnen Waffen und Geld abnehmen. Bis dahin ist es wie jedes normale Rollenspiel …»
«Mit dem Unterschied, dass man sich in einer Echtzeitumgebung befindet», sagt Esther, und Dan nickt eifrig. Esther runzelt
die Stirn. «Aber wie funktioniert dann das mit dem Kämpfen?»
«Sehr gute Frage. Also, der Anzug, den man trägt, ist auf eine ganz bestimmte Weise programmiert. Das ist die Stelle, wo es
langsam kompliziert wird. Der Anzug enthält Informationen über die …» Er wirft mir einen Seitenblick zu. «… die eigenen
Lebenspunkte
und alle anderen statistischen Werte. Je weiter man im Spiel vorankommt, desto mehr Lebenspunkte kann man sammeln, sodass
man immer lebendiger wird unddamit auch stärker. Außerdem hat man ein paar magische Basisfähigkeiten, die man verstärken kann, wenn man sich ein bisschen
Mühe gibt, möglichst viele Zaubersprüche lernt und so. Beim Kämpfen registriert der Anzug alle Verletzungen, die man abkriegt …»
«Wie beim Paintball», wirft Esther ein.
«So ungefähr. Mit dem Unterschied, dass man beispielsweise bei einer Wunde am Bein das Bein dann tatsächlich eine Zeitlang
nicht mehr bewegen kann – so lange, bis die Wunde verheilt ist, man sich ausgeruht oder ein Elixier getrunken hat.»
«Ach, ich liebe solche Wörter», werfe ich ein. Ich habe ewig keine Videospiele mehr gemacht. Als mein Großvater im Krankenhaus
lag, habe ich viel gespielt, wenn ich abends nach Hause kam, weil ich im wahrsten Sinne des Wortes zu nichts anderem fähig
war. Am Mittwochabend stellte ich verschwitzt, verärgert und ziemlich planlos das wöchentliche Kreuzworträtsel zusammen, mit
dem er beauftragt war (in der Redaktion erfuhren sie das erst viel später, obwohl die Leser, die das Rätsel regelmäßig lösten,
den Wechsel gleich bemerkt hatten), und gab mich dann für den Rest der Woche einfach dem Spielen hin, so wie sich andere Leute
vielleicht im Drogennebel verlieren oder in einem friedlichen, tiefen Schlaf. Ich schlafe selbst nicht besonders friedlich,
das konnte ich noch nie. Jedenfalls ist es eigenartig, dass aus diesen Erinnerungen an eine eigentlich furchtbare Zeit
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