PopCo
diesem Memo von Georges.
Hauptsächlich wollte ich einfach mal irgendwas entwerfen, das nicht nur aus Bildern besteht. Aber als ich dann anfing, intensiver
darüber nachzudenken und mit verschiedenen Ideen rumzuspielen, ist mir klargeworden, dass so ein Ding ohne Bilder gar nicht
existieren kann. Wir können doch eigentlich nur Bilder erschaffen. Also habe ich angefangen, die Bilder einer Welt zu zeichnen,
die gar nicht existieren kann.» Er lacht. «Im Grunde ist das alles nur deswegen, weil ich mich im Büro so furchtbar gelangweilt
habe, als du nicht da warst.»
Was für ein Memo von Georges? Das habe ich anscheinend nicht bekommen. Bilder. Hm. Ich denke an Häuser, Schornsteine, Zuggleise,
Schiffe, Trittleitern und Stühle und frage mich, was davon letztlich nur Bild ist. Die Bumblebuzz-Babys, Muh-Muh und Li-Li
und all die anderen Spielsachen, die wir alle hier uns täglich ausdenken, bestehen im Grunde ebenso aus Bildern wie Videospiele.
Ihre Kunststoffkörper erfüllen dieselbe Funktion wie ein Binärcode: Sie regen die Phantasie an, wecken Lust und Begierden
– was auch immer. Das wissen wir alle, und es ist ja auch in Ordnung so. Ständig bekommt man zu hören, wir würden heutzutage
nur noch Bilder und Ideen verkaufen. Das Produkt selbst spielt keine Rolle mehr, auch die Herstellung nicht. Man produziert
etwas, und anschließend gibt man ihm eine Bedeutung durch Marketing, Spin-offs und Promotion. Vielleicht ist das ja auch nur
eine PopCo-Perspektive: der PopCo-Overkill, eine Nebenwirkung der Arbeit hier. Man betrachtet die Welt als Pappkarton, der
nur noch seinen Plastikinhalt und ein paar bunte Bilder vorne drauf benötigt. Meine eigenen Produkte sind natürlich anders:Sie haben Substanz. Ganz im Ernst. Und wenn man einmal von den K-Produkten absieht, stellen wir meines Wissens auch nichts für Kinder über zehn her, was keinen Eigenwert hätte. Und während vor mir
bereits der Tisch abgeräumt wird, kann ich immer noch nicht aufhören, über Bilder zu grübeln, nichtexistente Bilder, und einen
Augenblick später fließen all meine Erinnerungen gurgelnd durch den Abfluss weg von mir, hin zu einem Telefonat, das ich liebend
gern führen würde, und zu einem Buch voller Bilder, die keinen Sinn ergeben, nicht einmal für meinen Großvater.
KAPITEL ACHT
Mac steht auf und verlässt die Cafeteria mit einem schmalen Aktenordner unterm Arm.
«Mist», sagt Esther. «Jetzt kommt der große Showdown.»
«Was meinst du?», fragt Dan.
«Na, Mac. Wir haben doch jetzt unseren Termin mit ihm.»
Ich will gar nicht behaupten, dass ich den Termin mit Mac vergessen hätte oder nicht mehr darüber spekulieren würde, in welcher
Sorte Klemme wir wohl stecken und ob wir jetzt tatsächlich gefeuert werden. Ganz im Gegenteil. Nur war der Tag so voll von
anderen Dingen, über die ich nachdenken musste, dass mir einfach kaum Zeit blieb, mir deswegen ernsthaft Sorgen zu machen.
Beim Aufstehen stecke ich zwei Finger in die Rocktasche, um zu überprüfen, ob der PopCo-Empfehlungszettel noch da ist. Ist
er. Die Taschen dieses Rocks sind nicht besonders tief, und ich will den Zettel auf keinen Fall verlieren. Schließlich muss
ich unbedingt wissen, was darauf steht. Das ist fast ein größeres Bedürfnis als zu erfahren, was Mac uns zu sagen hat. Bei
einer weniger komplizierten Chiffre hätte ich mich einfach während des Essens aufs Klo zurückgezogen und sie dort geknackt.
Doch das hier wird leider etwas mehr erfordern als eine Pi-mal-Daumen-Häufigkeitsanalyse und ein gewisses Talent zum Lösen
von Kreuzworträtseln.
Draußen vor der Cafeteria steht eine große Kiste, aus der sich jeder eine Taschenlampe nehmen kann. Es ist stockfinster, irgendwo
in den Hügeln hinter dem PopCo-Anwesen ruft eine Eule. An den meisten Gebäuden sind außen kleine Lampen angebracht, doch ihr
gedämpftes Licht ist nicht hell genug, als dass man viel sehen könnte. Sie haben wohl vor allem denZweck, das jeweilige Gebäude sichtbar zu machen und den Eingangsbereich etwas auszuleuchten. Ich überlege, ob wir vielleicht
zu früh aufgebrochen sind. Hier draußen scheint außer uns niemand zu sein. Etwas wie ein Vogel flattert durch die Dunkelheit,
schwarze Flügel schlagen rasch durch die windstille Luft, dann ist es verschwunden. Esther kreischt erschrocken auf.
«Scheiße, was war das denn?»
«Eine Fledermaus», sage ich. In dem Dorf, wo ich mit meinen Großeltern lebte, gab es viele
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