PopCo
selbst nicht genau warum, aber manchmal bin ich einfach total blockiert, wenn es um Gemeinschaftsaktivitäten
geht. Arbeiten und Aufträge machen mir keine Probleme, aber wenn ich zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort sein
soll und tun muss, was man mir sagt, legt das manchmal einfach den falschen Schalter in meinem Kopf um. Bei den Workshops,
die wir in den nächsten paar Wochen hier in PopCo Towers absolvieren sollen, besteht dummerweise Anwesenheitspflicht, es war
also keine schlechte Idee, dass ich mir zumindest diesen Sonntag frei gegeben habe. Immerhin habe ich mich schon um den einzigen
Punkt auf meiner Erledigungsliste gekümmert: Ich habe Helen Forrest angerufen und jemanden organisiert, der Atari zu Hause
abholt und ihn zu Rachel bringt. Seither stelle ich mir vor, wie er in einem firmeneigenen Katzenkorb mit roten Plüschkissen
in einer PopCo-Limousine chauffiert wird. Ich glaube, das würde ihm gefallen.
Dan und Esther sind beide im Westflügel untergebracht, ich im Ostflügel. Seit ich ins Haupthaus gezogen bin, habe ich noch
ein paar weitere Entdeckungen gemacht: Am Ende jedes Flurs befindet sich eine kleine Küche, jeder Flügel hat einen eigenen
Aufenthaltsraum mit Bibliothek, und unten, neben dem Großen Saal, gibt es einen weiteren, quasi versteckten Speisesaal, wo
waschechte Köche bereitstehen, um für uns zu kochen. Dan und ich haben gestern Abend dort gegessen und wollen heute wieder
zum Frühstück und zum Mittagessen hingehen. Offenbar machen die Köche einem auch Lunchpakete, falls man draußen picknicken
oder eine Wanderung übers Moor machen möchte. Diesmal haben wir übrigens nicht erzählt,wir wären Vegetarier – obwohl ich eigentlich fest entschlossen bin, mit dem Fleischessen aufzuhören.
Beim Frühstück im Speisesaal kann ich Dan nirgends entdecken. Ich bin selbst noch ganz verschlafen und benommen, würge eine
Scheibe Toast herunter und beschließe dann, mich mit meinem Tee nach draußen zu setzen. Auf dem Weg hinaus fällt mir auf,
dass im Speisesaal zwar allgemeine Müdigkeit herrscht, aber auch gespannte Erwartung in der Luft liegt.
Draußen sitzt Esther und raucht.
«Scheißfrüh», brummt sie.
«Hm», sage ich und zünde mir auch eine Zigarette an.
«Gute Idee.» Sie deutet auf den Tee, den ich mit nach draußen genommen habe. «Ich glaube, ich hole mir auch noch einen, bevor
der ganze Zinnober losgeht.» Sie gähnt. «Oh Mann!»
«Wie läuft’s denn so?», frage ich sie. Seit dem Termin mit Mac am Samstagabend habe ich Esther nicht mehr richtig zu Gesicht
bekommen. Ich weiß nicht einmal, worüber er noch mit ihr reden wollte. Ob ich sie direkt danach fragen kann? Wahrscheinlich
eher nicht, aber ich bin so furchtbar neugierig.
«Ganz gut», sagt sie müde. «Auch wenn ich mir wegen der Sache hier nicht ganz sicher bin.»
Ich muss lächeln. «Meinst du unseren geheimen Auftrag?»
«Ja. Ich weiß auch nicht. Irgendwie ist es natürlich schon spannend, auserwählt zu sein, aber es ist auch …»
«Komisch.»
«Ja. Ziemlich komisch sogar. Ich habe wirklich keinen blassen Schimmer, wieso sie gerade uns ausgesucht haben. Bis auf dich
und Dan kenne ich kein Schwein hier, und wir haben uns ja auch erst Samstag getroffen. Was sind das alles für Leute?»
«Keine Ahnung», sage ich. «Roboter vielleicht?»
«Kann gut sein.»
Zwei Männer betreten ein Restaurant und bestellen dasselbe Gericht. Nach dem ersten Bissen geht der eine Mann nach draußen
und erschießt sich. Was ist geschehen?
Ich glaub’s nicht.
«Ach du Schande», murmelt Esther. Ich bilde ein sogenanntes «Team» zusammen mit ihr und Dan. Wir haben uns gerade mal zwei
Minuten in diesem Raum befunden und mussten uns schon zu Teams zusammentun, um dieses Lateral- oder «Querdenker»-Rätsel zu
lösen. Vermutlich soll das eine Kennenlern-Gemeinschaftsbildungs-Maßnahme sein. Mac hat sich bisher nicht blicken lassen.
Nur der Workshop-Leiter ist hier.
«Ich weiß die Lösung schon», sage ich. «Ich setze also besser eine Runde aus.»
«Warum – oder besser gesagt,
woher
weißt du denn die Lösung zu so einem blödsinnigen Rätsel?», erkundigt sich Esther.
«Mein Großvater war Experte für laterale Rätsel», sage ich. «Ich kenne sie alle. Wenn ihr auf die richtige Lösung kommt, kriegt
ihr übrigens eine Million Pfund von mir.»
Esther schaut einigermaßen fassungslos auf die weiße Tafel, auf der in neonblauer, abwaschbarer Schrift
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