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PopCo

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Titel: PopCo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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ich unschuldig.
    «Kennst du das Rätsel schon?», fragt Warren mit besorgter Stimme.
    «Nein, natürlich nicht. Ich habe nur einfach so ein Gefühl, dass es um einen Albatros gehen könnte.»
    Warren entfernt sich mit misstrauisch zusammengekniffenen Augen.
     
    «Es sind also zwei schwarze Steine in dem Beutel», sagt Esther, als er weg ist. «Hm. Bist du drauf gekommen, als du es zum
     ersten Mal gehört hast?»
    «Ich?», frage ich. «Um Himmels willen, nein. Ich bin furchtbar schlecht mit so was. Die Lösungen kenne ich nur, weil mein
     Großvater sie mir gesagt hat. Er war selbst gar nicht besondersgut darin, sie zu lösen, aber er hat jahrelang die Rätselseite einer Sonntagszeitung gemacht, und da hat er auch immer ein
     Lateral gebracht. So was im Stil von: ‹Ein Mann schiebt seinen Wagen. Als er an ein Hotel kommt, bleibt er stehen und merkt,
     dass er bankrott ist. Warum? Weil er gerade Monopoly spielt.› Das war die
Kopfnuss -Kolumne
. Ich habe seit Jahren nicht mehr daran gedacht. Für eine Zeitung machte er das Kreuzworträtsel, für eine andere ebendiese
     Kopfnüsse. Damals hielt ich das alles für ganz normal. Erst als ich in die Pubertät kam, fand ich es dann doch ein bisschen
     seltsam.»
    «Ich geb’s auf», sagt Dan nach einer Weile.
    «Ja, sag’s uns», meint Esther. «Obwohl ich mir dann bestimmt in den Arsch beiße   …»
    «Also gut», sage ich. «Die junge Frau macht Folgendes. Als der reiche Sadist ihr den Beutel hinhält, nimmt sie einen Stein
     heraus, so, wie es vereinbart war. Doch dann macht sie eine ungeschickte Bewegung und lässt den Stein fallen. ‹Es tut mir
     leid, Herr›, sagt sie. ‹Ich fürchte, ich habe den Stein fallen lassen.› Der reiche Mann ist zornig. ‹Jetzt müssen wir noch
     einmal von vorne anfangen›, sagt er. ‹Verzeihung, Herr›, sagt das Mädchen. ‹Es gibt vielleicht noch eine andere Möglichkeit.
     Wenn Ihr in den Beutel greift und nachseht, welcher Stein noch darin ist, wissen wir gleich, welchen ich fallen gelassen habe.
     Ist der weiße Stein noch im Beutel, so ist mir der schwarze heruntergefallen, und ich muss für immer hier bei Euch bleiben.
     Wenn der verbliebene Stein aber schwarz ist, habe ich den weißen gezogen und bin frei.› Die Zuschauer brechen in beifälliges
     Raunen aus. Und der verbliebene Stein im Beutel ist natürlich schwarz, weil der reiche Mann ja zwei schwarze Steine hineingetan
     hat, und so ist er gezwungen, das Mädchen ziehen zu lassen. Ihr Trick war besser als seiner.»
    «Das ist ziemlich cool», sagt Esther. «Gefällt mir.»
    Dan schaut, als wollte er mich in ein «Aber was ist, wenn   …»-Gespräch verwickeln, doch da bittet Warren uns auch schon, mit der Arbeit an dem Rätsel aufzuhören. Mir brennen die Augen,
     und ich habe dieses schwerfällige Gefühl, das sich einstellt, wenn ich zu lange in Schulräumen eingesperrt bin. Ich wäre jetzt
     viel lieber draußen und hoffe auf eine baldige Pause, doch als ich auf die Uhr an der Wand sehe, ist es gerade erst halb elf.
     Während ringsum alle ihre Gespräche unterbrechen und Warren anschauen, muss ich gähnen.
    «Hat jemand einen Lösungsvorschlag?», fragt er.
    Allgemeines Schweigen. Ich sehe mich im Raum um. Der dunkelhaarige Typ und seine braunhaarige Begleiterin sitzen ohne weitere
     «Teammitglieder» nebeneinander, und auch in den anderen Zweier- oder Dreiergrüppchen scheinen sich die Leute zu kennen. Die
     Assistentin aus Battersea sitzt neben einer Designerin, mit der ich zwar noch nie geredet habe, die aber, glaube ich, Lara
     heißt. Die Assistentin selbst heißt möglicherweise Imogen, aber ich bin mir nicht ganz sicher.
    «Ihr zwei.» Warren deutet auf ein Paar, das ich vor dem Wochenende noch nie gesehen habe. «Wie heißt ihr?»
    «Richard», sagt der Mann. «Also, ich bin Richard, und sie heißt Grace.» Er hat stacheliges blondes Haar, sie ist die Chinesin
     im Gothic-Look, die mir schon beim Treffen am Samstagabend aufgefallen ist.
    «Schön», sagt Warren. «Und, Grace, habt ihr das Rätsel lösen können?»
    «Nein», sagt sie. «Tut mir echt leid. Wir haben’s versucht, aber   …»
    Warren lacht in sich hinein. «Ziemlich unlösbar, was? Aber die viel wichtigere Frage ist ja sowieso: Was hast du über deinen
     Partner herausgefunden?»
    «Er ist eine doofe Nuss?», stellt Grace in den Raum, und alle, einschließlich Richard, lachen.
    Warren schaut etwas beunruhigt. «Kennt ihr euch schon?», fragt er.
    «Ja», antwortet Grace.

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