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PopCo

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Titel: PopCo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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«Richard ist mein Chef. Ich sollte ihn also vielleicht nicht unbedingt als doofe Nuss bezeichnen, aber   …»
    Warren fällt ihr ins Wort. «Wer hat denn sonst noch ein Team mit Leuten gebildet, die er schon vorher kannte?»
    Alle heben die Hand.
    «Aha.» Warren runzelt die Stirn. «Hm.»
    «Das war wohl ein Griff ins Klo», flüstert Esther so laut, dass es praktisch jeder im Raum hören kann. Ich spüre einen Blick
     im Nacken und schaue über die Schulter nach rechts, wo ich gerade noch sehe, wie der Dunkelhaarige sich missbilligend von
     uns abwendet. Was will der eigentlich?
    «Ist es denn wenigstens irgendwem gelungen, das Rätsel zu lösen?», fragt Warren müde.
    «Hat es etwas mit dem Essen zu tun?», fragt Lara. «War es vielleicht vergiftet?»
    Ich frage mich, wie die Leute wohl auf die eigentliche Lösung reagieren werden. Armer Warren. Jetzt ist mir klar, was er vorhatte:
     Er wollte uns eine unlösbare Aufgabe stellen, in der Hoffnung, dass uns das irgendwie zusammenschweißt. Wahrscheinlich hat
     er den Kurs auf der Zugfahrt von London hierher sorgfältig geplant und sich ausgemalt, wie wir alle gemeinsam über dieses
     blödsinnige Querdenkerrätsel lachen und uns dabei mit dem Menschen rechts neben uns anfreunden. Wie hätte er auch ahnen sollen,
     dass die meisten von uns mit dem Menschen rechts neben ihnen schon lange befreundet sind? Man hätte allerdings damit rechnen
     sollen, dass Mac ihn warnt.
    «Der eine Mann ist ein Auftragskiller», schlägt Richard vor. «Von der Mafia oder so. Er hat den anderen zu einem ‹Geschäftsessen›
     eingeladen, aber der ahnt schon, dass er sterbenmuss, und als er den ersten Bissen genommen hat, wird ihm ganz schlecht bei dem Gedanken. Er beschließt, sich lieber selbst
     das Leben zu nehmen, und entschuldigt sich kurz. Dann geht er nach draußen und jagt sich eine Kugel durch den Kopf.»
    Verglichen mit der eigentlichen Lösung ist das richtig gut. Viel besser sogar.
    Warren allerdings sagt in leicht herablassendem Ton: «Sehr phantasievoll, Richard.»
    «Ich verdiene ja auch mein Geld mit Phantasie», gibt Richard zurück.
    Das läuft nicht richtig rund. Kennen Sie das, wenn man zu einer Gruppe gehört und ganz genau weiß, was diese Gruppe denkt?
     Ich bin mir sicher, dass alle Anwesenden diesen Warren für einen ziemlichen Arsch halten. Er hat den kritischen Punkt überschritten,
     an dem er sich von einer «Autorität» in jemanden verwandelt hat, von dem man eigentlich nicht viel hält. Wäre er ein Graph
     in einem Koordinatensystem, er würde schwer gegen null gehen.
    «Na gut», sagt er. «Hier kommt die Lösung. Ich lese sie euch schnell vor, dann machen wir eine Pause, bevor es weitergeht.
     Aber eigentlich ging es gar nicht um die Lösung. Ich wollte euch nur auf entspannte Weise ans Um-die-Ecke-Denken heranführen,
     während ihr euch untereinander ein bisschen besser kennenlernt. Aber da ihr euch ja alle schon kennt, gehen wir nach der Pause
     gleich zum eigentlichen Lehrstoff über.»
    «Warren?», sagt Laras Freundin Imogen.
    «Ja?»
    «Es ist gar nicht so, dass wir uns alle kennen würden. Die meisten kennen nur ihre unmittelbaren Nachbarn. Du könntest uns
     vielleicht ein bisschen durchmischen.»
    Warren seufzt, dann liest er uns die Lösung des Rätsels vor.
     
    Als Dan und ich nach draußen kommen, ist Esther schon dabei, sich eine Tüte zu bauen.
    «So früh schon Drogen?», bemerkt Dan missbilligend.
    «Das ist doch kein Rätsel», sagt Esther. «Das ist eine gottverdammte Seifenoper. Nach so was brauche ich Drogen.»
    «Ich hatte euch gewarnt.» Ich drehe mir eine Zigarette.
    «Das soll jetzt also ernsthaft die Lösung sein   … Die zwei haben Albatros bestellt. Als der Mann den ersten Bissen genommen hat, merkt er, dass er das, was er da isst, nicht
     kennt. Und daraus schließt er messerscharf, dass er, als ihm vor vielen Jahren auf einer einsamen Insel angeblich Albatros
     vorgesetzt wurde, in Wahrheit seinen Sohn gegessen hat, der kurz nach der Ankunft auf der Insel gestorben war.»
    «Genau», sage ich.
    «Das ist doch total bescheuert! Wie soll man denn bitte auf so was kommen, mit den Informationen, die man hat? Außerdem hätte
     der Mann doch zumindest mal nachgefragt, ob sie ihm auch das richtige Essen gebracht haben, bevor er sich gleich erschießt.
     Mann! Und was ist, wenn ihm die Leute auf der Insel damals   … was weiß ich   … Schwertfisch oder so was vorgesetzt und ihm nur erzählt haben, es wäre Albatros?

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