Poppenspael
meinem Schreibtisch gelandet«,
eröffnet er das Gespräch, noch bevor die Journalistin
Platz genommen hat. »Ich sage nur, das Puppenspiel
›Ursache und Wirkung‹!«
»Siebenhüner?«,
fragt sie trocken und setzt sich etwas abseits vom Schreibtisch auf
einen der unbequemen Besucherstühle. Think Big linst
verständnislos zu ihr hinüber.
»Hat
Siebenhüner gepetzt?«, wiederholt Maria
Teske.
»Was soll
Siebenhüner gepetzt haben?«, fragt Think Big
zurück.
»Mein Artikel
hat ihm offensichtlich nicht gefallen«, klärt die
Journalistin ihren Chef auf.
»Na ja, damit
steht der Kollege wohl nicht allein da.«
»Wie meinst du
das? Mein Artikel hat dir also auch nicht
gefallen?«
»Im Gegenteil,
für meinen Geschmack hatte der Artikel sogar Pfeffer!
Außerdem warst du in dem Stück, ich vertraue dir, und
Kulturkritiken sind für mich sowieso etwas rein
Subjektives.«
»Und wo liegt
das Problem?«
»Diese
Beschwerde kann ich nicht einfach ad acta legen,
Maria.«
»Und wieso
nicht? Wie du schon sagtest, habe ich nur meine subjektive Meinung
zum Besten gegeben.«
»Wiktor
Šemik ist da extrem anderer Meinung, der hält deine
Schreibe für einen persönlichen Rachefeldzug. Du
hättest unterhalb der Gürtellinie argumentiert und seine
Person dem öffentlichen Gespött
preisgegeben.«
»Ich habe sofort
gewusst, dass Herr Šemik zum Schmierentheater
neigt.«
»Höre ich
da etwa heraus, dass der Herr nicht so ganz falsch liegt, was deine
Beurteilung seiner Person angeht?«
»Herr
Šemik ist arrogant, borniert, weiß alles besser und
vertritt seine Meinung auch noch vom hohen Kulturross herab.
Daneben glaubt er fest daran, dass gerade sein Puppenspiel das
Nonplusultra des Figurentheaters ist. Diese Überheblichkeit
wollte ich nur ein wenig ins Lot bringen.«
»Eine
Journalistin sollte sich nicht zur Walküre aufschwingen und
mit ihren persönlichen Befindlichkeiten die Realität in
Grund und Boden preschen!«
»Das ist eine
rein subjektive Unterstellung, Theodor. Ich hab nur die Frage
aufgeworfen, ob die Fabel noch zeitgemäß ist, und dazu
stehe ich nach wie vor!«
»Ich wollte hier
auch kein Fass aufmachen, Maria! Du bist informiert und für
mich ist die Sache damit erledigt. Ob das für Wiktor
Šemik ebenfalls gilt, wage ich zu bezweifeln. Der war am
Telefon jedenfalls so was von durchtrieben, meinte, unsere Zeitung
würde doch auf den ersten Blick einen sehr guten Eindruck
machen. Er gehe deshalb davon aus, dass mir der Artikel nur
durchgeflutscht ist und dass ich sicher die Fehlleistung von dir
mit einer Gegendarstellung aus der Welt schaffen
wolle.«
»Eine
Gegendarstellung! Der spinnt doch, der Typ, oder?«
»Ich hab ihm
gleich deutlich gemacht, dass es bei einer Kulturkritik keine
Gegendarstellung gibt. Daraufhin ist der Mann sehr persönlich
geworden. Ich solle dir von ihm ausrichten, man sieht sich im Leben
immer zweimal.«
»Hunde, die
bellen, beißen nicht! Ich nehm das
gelassen.«
»Sieh dich vor,
Maria, der Typ scheint schon ein wenig neben der Spur zu liegen.
Siebenhüner übernimmt ja sowieso den Rest der
Pole-Poppenspäler-Tage, und ich werde dich in Zukunft von
Interviews mit Šemik fernhalten! Das ist ein ganz
verschlagener Trickster, sag ich dir, und ich kenne mich mit
Menschen aus!«
»Meine Rede,
Theodor, Šemik ist ein ausgebuffter Trickser und
Täuscher!«
»Ich sagte
Trickster, nicht Trickser!«
»Und was ist da
bitte der Unterschied?«
»Der Trickster
ist eine mythische Gestalt, Frau Redakteurin, eine Gestalt die es
weltweit in Tausenden verschiedenen Formen gibt. Der sogenannte
göttliche Schelm, ein listenreicher Tölpel, der weder gut
noch böse daherkommt.«
Jenseits von Gut und
Böse, denkt Maria Teske genervt, der das
bildungsbürgerliche Getue von Think Big mal wieder auf den
Geist geht. Der größte Trickster ist immer noch der
Chefredakteur der Husumer Rundschau und deswegen sieht er sich
selbstverständlich auch von Trickstern
umzingelt.
*
»Ich spüre
physischen Ekel vor dieser ordinären Menschheit«,
jammert die kleine Marionette in einem mausgrauen Anzug.
»Einer Menschheit, die im Übrigen die einzige ist, die
es gibt.«
Das schmale
Holzgesicht der Puppe hat die ausdruckslosen Züge des
Stummfilmkomikers Buster Keaton, allerdings mit Chaplinbart, der
Brille von Harold Lloyd und einem eleganten Panizzahut, der zu
keiner dieser Filmfiguren passt.
»Und manchmal
überkommt mich Lust, diesen Ekel zu vertiefen, so wie man ein
Erbrechen hervorrufen kann,
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