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Poppenspael

Poppenspael

Titel: Poppenspael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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nehme an, die Frau ist ihrem Mann auf
die Schliche gekommen und hat gedroht, zur Polizei zu gehen. Um das
zu verhindern, hat er ihr im Schlosspark aufgelauert. Als dann
gleichzeitig zwei weitere Frauen aufkreuzten, mussten eben alle
sterben.«
    »Nicht schlecht
ausgedacht«, meint Swensen trocken und nimmt einen Schluck
grünen Tee, als wolle er seinen Ärger runterspülen.
Dass Ørsted sogleich Einbrecher und Mörder sein
könnte, hatte er bei seinen Überlegungen nicht in
Betracht gezogen. Doch irgendetwas lässt ihn weiterhin
zweifeln, dass Mielke diesen Fall einfach so gelöst haben
könnte. »Auch wenn alles dafür spricht, bleibt
trotzdem die Frage, warum dieser Mann gerade den Husumer
Schlosspark als Tatort ausgewählt haben sollte. Als wenn es
keine geeigneteren Plätze geben würde.«
    »Was ist denn
mit dir, Jan?«, fragt der Oberkommissar mit beleidigtem
Unterton. »Er könnte gerade den Schlosspark ausgesucht
haben, um von seinem Motiv abzulenken. Der Mann ist unser
Mörder, was gibt es denn daran noch zu
deuteln?«
    »Wir
verbeißen uns in Details«, schaltet Colditz sich ein.
»Wir brauchen erst einen Gesamtüberblick. Natürlich
gehört Ørsted ab sofort zum potenziellen
Täterkreis. Schnappen wir ihn uns! Und bis wir ihn haben und
überführen können, sollten wir uns alle anderen
Optionen offenhalten.«
    Der Flensburger
Hauptkommissar schreibt den Namen Sören Ørsted auf
einen roten Zettel und pinnt ihn an die Wand.
    »Was ist noch
über das Mordopfer Ørsted bekannt?«, fragt er
danach in die Runde.
    »Sie ist
Steuerberaterin«, doziert einer der Beamten vom K1.
»Hat ein eigenes Büro mit zwei Angestellten in der
Herzog-Adolf-Straße, hier in Husum. Die Eltern leben in
Flensburg. Da hat sie auch ihren Mann Sören geheiratet, bevor
beide nach Husum gezogen sind. Das Ehepaar hat zwei Kinder, Peter
und Max. Das ist alles, was ich bis jetzt rausgebraten
hab.«
    »Kannst du das
mit diesem Sportlehrer bitte noch für dich behalten?«,
flüstert Swensen Silvia zu.
    »Warum das
denn?«
    »Ich möchte
sicher sein, dass ich ihn persönlich befragen kann«,
flüstert der Hauptkommissar augenzwinkernd, »ist nur so
eine Intuition von mir.«
    »Könnt ihr
eure Privatgespräche auf später verschieben«,
ermahnt Colditz und deutet als nächstes auf das Foto von Ronja
Ahrendt.
    *
    »Sozialschmarotzer ist
harmlos gegen das, was ich täglich zu hören
bekomm«, klagt Harald Timm apathisch und deutet auf den Strom
von Männern und Frauen, der gerade aus dem
Bahnhofsgebäude quillt. »Ja, ich kenne meine lieben
Mitmenschen. Die schauen nur von oben herab, sag ich
dir!«    
    Er stupst den kleinen
Mann mit dem dunkelblauen, zerknitterten Anzug, der neben ihm auf
der Holzbank sitzt, gegen den Oberarm.
    »Finde ich
übrigens richtig toll, dass ich bei dir übernachten
durfte. Von denen da drüben würde keiner auf die Idee
kommen, die halten unsereinen zwangsläufig für
arbeitsscheu. Dabei bin ich nicht faul, wirklich nicht! Ich
würde sagen … bequem, ja, ich bin schon etwas
bequem.«
    Harald Timm hatte den
Mann, mit dem er zufällig ins Gespräch gekommen war,
Montagabend am Hafen wiedergetroffen. Der war noch schlechter drauf
gewesen als bei ihrer ersten Begegnung, wollte ihn gar nicht mehr
gehen lassen und hatte ihn letzten Endes zu sich in die Wohnung
eingeladen. Dort wurde eine Flasche Bommerlunder aufgetischt,
über Gott und die Welt gesprochen, und später durfte er
sogar ein Bad nehmen. In der Früh waren sie gemeinsam hier zum
Bahnhof geschlendert. Er hatte, wie immer, seinen Seesack im
Versteck hinter dem Gebüsch verstaut und noch zwei
Fläschchen ›Kleiner Feigling‹ am Bahnhofskiosk
besorgt.
    Der Feigenlikör
wärmt ihm den Magen durch. Gleichzeitig überlegt er, wie
er seinen Gastgeber möglichst ohne viel Aufwand loswerden
kann. Trotz der unverhofften Annehmlichkeiten will er nicht, dass
ihm der Kerl zu nah auf die Pelle rückt. Im Innersten seines
Wesens ist und bleibt er nun mal ein Einzelgänger.
    »Ich muss aber
los«, lügt Timm und stellt fest, dass er noch nicht
einmal den Namen von seinem Wohltäter weiß, »ich
kann heut vielleicht so ’n kleinen Job am Hafen
kriegen.«
    »Treffen wir uns
heute Abend wieder, gegen 8 Uhr am Hafen?«
    »Mal
seh’n, kann ich nicht versprechen. Also bis dann!«,
wiegelt er ab, klopft dem Mann auf die Schulter und trottet
über den Bahnhofsplatz in Richtung Polizeigebäude. An der
hellen Fassade mit den vier grauen Fensterzeilen versucht er

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