Poppenspael
Büro seiner Schwester zum
Stehen kommt und die Beamten aus dem Wagen springen. Sie nehmen ihn
offensichtlich nicht mehr wahr.
*
Swensen versucht, die
Fülle der Spurenansätze und Spekulationen, die bei der
ersten Frühbesprechung zusammengekommen waren, im Kopf zu
ordnen. Doch seine eigentliche Stärke, einzelne Puzzleteile zu
einem überschaubaren Bild zusammenzusetzen, lässt ihn
heute kläglich im Stich. Obwohl das Bindeglied zwischen den
drei Mordopfern, der Pole-Poppenspäler-Förderkreis, auf
ein gemeinsames Motiv hindeutet, sieht es erst mal so aus, als
hätte die Tatsache keinerlei Bedeutung.
Die wichtigste Frage
ist, wer konnte wissen, dass die Frauen vielleicht diesen Weg durch
den Schlosspark nehmen würden? Oder ist das die falsche Frage?
Die Frauen könnten auch einfach zur falschen Zeit am falschen
Ort gewesen sein und sind einem unbekannten Psychopathen in die
Arme gelaufen, einem dieser Verrückten, die einen
unbändigen Hass auf alles Weibliche mit sich herumschleppen.
Aber ein mordender Psychopath steht in einer Kleinstadt wie Husum
eher ganz unten auf der Liste.
Der Hauptkommissar
lehnt sich in seinem Bürostuhl zurück und versucht, sich
durch seine Gedanken zu wühlen. Doch jedes
Gedankengebäude, das er innerlich errichtet, wird von der
nächsten Überlegung wieder eingerissen. Sein Blick haftet
an der leeren Wand, gleitet über die weiße
Raufasertapete und geht in den feinen Strukturen verloren. Die
Lider werden schwer, die Müdigkeit nach der schlaflosen Nacht
drückt sie langsam zu. Die Gedanken schweigen.
»Jan!«,
ruft jemand in der Ferne. »Hey, Jan! Schläfst
du?«
Der Hauptkommissar
schnellt hoch und sieht das Gesicht von Rudolf Jacobsen, das
grinsend hinter der geöffneten Tür hervorlugt.
»Quatsch«, wehrt Swensen ab, »hab nur kurz die
Augen zugemacht. Was gibt’s denn?«
»Stephan schickt
mich. Wir waren heute früh in der Wohnung der Lechner und
haben eine brisante Entdeckung gemacht. Wir würden das gern
kurz mit dir besprechen, bevor wir es an die große Glocke
hängen.«
»Hört sich
ja richtig konspirativ an. Was gibt’s denn?«
»Komm einfach
mit rüber, Jan, es ist dringend.«
Swensens Anflug von
Müdigkeit ist wie weggeblasen. Mit einem Satz ist er auf den
Beinen, folgt Jacobsen über den Flur in Stephan Mielkes
Büro und schließt nach dem Eintreten die Tür hinter
sich.
»Was hältst
du davon?«, fragt Stephan Mielke ohne Umschweife und reicht
ihm ein aufgeschlagenes Notizbuch.
Swensen
überfliegt die Seite und bleibt am Namen Rebinger hängen.
»Was ist das für ein Buch?«
»Das lag in der
Schreibtischschublade von Hanna Lechner.«
»Rebinger, mit
Datum und Uhrzeit?«
»Der Name ist
13-mal eingetragen.«
»Verstehe! Ihr
glaubt, das könnte unser Staatsanwalt sein?«
Mielke nickt.
»Das Mordopfer wohnte direkt gegenüber von so ’nem
Rotlichtschuppen, Club 69. Man kann von ihrem Fenster aus direkt
auf die Eingangstür sehen. Hast du da nicht mal
ermittelt?«
»Dieser
Sadomaso-Laden in der Süderstraße?«
»Es sieht so
aus, als wenn unsere feine Dame heimlich den Kunden nachspioniert
hat. Und jetzt spekulieren wir einmal, dass einer der Kunden das
mitbekommen hat und das gar nicht witzig fand. Oder unsere
Sauberfrau hat sogar einen der Kunden erpresst. Kein schlechtes
Mordmotiv, oder?«
»In dem
Zusammenhang ist der Name Rebinger ein verdammt heißes
Eisen«, ergänzt Jacobsen. »Wenn sich
tatsächlich unser Staatsanwalt dahinter verbirgt, haben wir
ein kleines Problem.«
»Du liebe
Scheiße!«, bricht es aus Swensen heraus, als er die
Tragweite der Entdeckung begreift. »Das wäre mehr als
nur ein Wespennest!«
»Fürchte
ich auch«, meint Mielke. »Ich verspüre jedenfalls
nicht die geringste Lust, unseren Staatsanwalt danach zu
befragen.«
»Ihr habt das
für euch behalten?«
»Klar, Mensch!
Was hättest du denn gemacht?«, antwortet
Jacobsen.
»Die Sache
hätte in die Frühbesprechung gehört, oder wollt ihr,
dass wir das vertuschen?«, fragt Swensen mit klarer Stimme.
»Ihr nehmt das Buch und informiert sofort Colditz, als wenn
euch das gerade erst aufgefallen ist. Ich mach den Gang nach
Canossa und weihe den Chef möglichst schonend in den
Sachverhalt ein.«
Die beiden sehen aus
wie begossene Pudel, denkt er, gibt Mielke mit einem Augenzwinkern
das Buch zurück und verlässt den Raum. Heinz Püchels
Tür am Ende des Flurs steht weit offen und der Polizeirat
steht rauchend am offenen Fenster.
»Gibt es schon
greifbare
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