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Populaermusik Aus Vittula

Titel: Populaermusik Aus Vittula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
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hast du uns einen Jungen gesandt. Wir danken dir, Herr, wir danken dir .«
    Niila verstand alles, was der Schwarze sagte. Die Einwohner von Pajala hörten wie vom Schlag getroffen zu, während der Junge die gesamte Predigt des Schwarzen übersetzte. Niilas Eltern und Geschwister saßen wie Steinsäulen mit entsetzten Gesichtern da. Sie waren schockiert, sie begriffen, dass eines von Gottes Wundern vor ihren Augen geschehen war. Viele in den Bänken brachen vor Entzückung in Tränen aus, alle waren gerührt und in ihren Herzen bewegt. Jubelndes Flüstern brach aus, bis der gesamte Kirchensaal summte. Ein Gnadenzeichen! Ein Wunder!
    Ich selbst konnte das nicht begreifen. Woher kannte der Afrikaner unsere Geheimsprache? Denn genau diese redeten sie da oben, der Schwarze und Niila.
    Das Ereignis wurde viel diskutiert, nicht zuletzt in kirchlichen Kreisen. Noch lange Zeit danach riefen Zeitungen und Fernsehen an und wollten den Jungen interviewen, aber Isak verbot das.
    Ich selbst traf Niila erst ein paar Tage später. Er schlüpfte an einem Nachmittag in unsere Küche und sah immer noch mitgenommen aus. Wir bekamen von meiner Mutter Butterbrote, die wir wegmümmelten. Mit der Zeit taute Niila wieder auf eine etwas steife Art auf.
    Im Hintergrund plapperte wie üblich das Radio. Plötzlich hatte ich so eine sonderbare Ahnung und drehte es lauter.
    »Gis reaudo!«
    Ich stutzte. Unsere Geheimsprache! Eine kurze Erkennungsmelodie, anschließend die Stimme des Sprechers:
    »Sie hörten gerade die heutige Lektion unseres Sprachkurses in Esperanto.«
    Sprachkurs in Esperanto. Er hatte es aus dem Radio gelernt. Langsam drehte ich mich um und sah Niila an. Er saß da, den Blick weit in die Ferne gerichtet.
KAPITEL 3
KAPITEL 6
KAPITEL 9
KAPITEL 11
KAPITEL 12
KAPITEL 13
KAPITEL 15
KAPITEL 18
EPILOG

KAPITEL 3
    - über dramatische Begebenheiten im Vorratsgebäude
    der Nähschule sowie ein unerwartetes Zusammentreffen, mit dem wir den Ereignissen weit vorgreifen.
    Neben dem Spielplatz lag ein großes, fast herrschaftliches Holzgebäude mit vielen Fenstern über die ganze Fassade. Das war das alte Armenhaus, in dem aber inzwischen jugendliche Mädchen unter anderem im Essenkochen und in Handarbeiten ausgebildet wurden. Statt arbeitslos herumzulaufen, konnten die Mädchen immer noch gut ausgebildete Hausfrauen werden. Neben der Schule, die wir immer nur Nähschule nannten, lag ein rot gestrichener alter Vorratsschuppen, voller Schrott und alten Schulunterlagen, in denen wir Kinder gern wühlten. An einer Stirnseite waren ein paar Bretter lose, dort konnte man hineinkriechen.
    Es war ein brütend heißer Hochsommertag. Die Hitze lag schwer auf der Stadt, der Heuduft von den Schnittweiden am Spielplatz war intensiv wie Tee. Ganz allein schlich ich mich an die Wand des Vorratsschuppens heran. Unruhig hielt ich nach dem Schulhausmeister Ausschau. Wir Kinder hatten Angst vor ihm. Er hasste herumschnüffelnde Kinder, ein athletischer Kerl im Overall voller Farbflecken. Er tauchte immer wie aus heiterem Himmel auf, den Radarblick eingeschaltet. An den Füßen trug er Holzschuhe, die er mit blitzartiger Geschwindigkeit abschüttelte, bevor er mit wenigen Tigersprüngen seine Beute packte. Kein Kind war ihm jemals entkommen, er schraubte seine Faust wie eine Zange um die Nackenwirbel und hob es dann hoch, bis sich fast der Kopf vom übrigen Körper löste. Ich hatte einmal einen der Nachbarsjungen gesehen, einen verdammt zähen Jugendlichen, der wie ein Baby heulte, nachdem er sein Moped am falschen Ort aufgemotzt hatte.
    Trotzdem ging ich das Risiko ein. Ich war noch nie in dem Vorratsschuppen gewesen, hatte aber davon gehört, dass sich andere getraut hätten. Die Nerven bis zum Zerreißen gespannt, schaute ich mich um. Alles schien ruhig zu sein. Schnell ließ ich mich auf alle viere fallen, schob die Latten zur Seite, steckte den Kopf durch die dunkle Öffnung und krabbelte hinein.
    Nach dem Sonnenschein draußen war hier drinnen alles kohlrabenschwarz. Die Augen weiteten sich aufgrund der Dunkelheit und der Blindheit. Eine ganze Weile lang stand ich vollkommen regungslos da. Dann begann ich nach und nach Konturen zu erkennen. Alte Regale, kaputte Schulbänke. Ein Stapel Holz, ein Haufen Ziegelsteine. Eine gesprungene Toilettenschüssel ohne Deckel. Kartons mit Elektroschrott und Isolatoren. Ich begann vorsichtig herumzugehen, versuchte dabei möglichst nirgends anzustoßen. Die Luft war trocken, es roch nach Sägespänen, Mörtel und

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